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4,0
Veröffentlicht am 20. Oktober 2017
Michael Haneke ist wieder im Kino. „Happy End“ heißt sein aktueller Film. Erzählt wird die Geschichte der gut situierten Familie Laurent.

Üppig gefüllt ist der Plot des 108 Minuten dauernden Werks. Mehrere, kurze Erzählstränge mit vielen Figuren der Familie Laurent werden geboten. Somit eine Charaktervorstellung, Beobachtungskino, vergleichbar mit „Manchester by the Sea“ von Kenneth Lonergan, doch mit erheblich geringerer Intensität in der Darstellung von Emotionalität. Haneke bleibt einfach sachlicher. Das Geniale an dieser Arbeitsweise ist, dass die doch erheblichen Familienprobleme und die daraus resultierenden Geschehnisse wie in den Alltag eingebuttert wirken. Das sorgt nicht für sensationelle Kinounterhaltung und ist nicht so sehr spannend, dennoch oder gerade wegen der Objektivität ist es äußerst interessant, dieser Familie zuzuschauen. Als funktionierendes Familienoberhaupt muss Anne (Isabelle Huppert) in Calais alles managen, denn ihr suizidgefährdeter, geistig oft abwesender 85-jähriger Vater Georges (Jean-Louis Trintignant) kann das nicht mehr. Sohn Pierre (Franz Rogowski) rennt vor seinem Leben weg und Bruder Thomas (Mathieu Kassovitz) leistet sich als Mediziner eine Ex-Frau, eine Ehefrau (Laura Verlinden) mit Säugling und eine musikalische Geliebte (Loubna Abidar), inklusive psychischer Beschädigung der 13-jährigen Tochter (hervorragend: Fanitine Harduin).

Haneke kommt - wie so oft - ohne musikalische Untermalung aus. Die Kamera bleibt überwiegend entfernt und zeigt inkonsequent aus der Nähe die starke Mimik des Jean-Louis Trintignant. Ein bisschen mehr davon hätte anderen Figuren gutgetan. Nichtsdestotrotz entblättert Haneke seine Charaktere gnadenlos in mehr oder weniger obskuren Situationen. Die Laurents quälen sich weniger gegenseitig, weil alles irgendwie geregelt wird, das kopfschüttelnde Publikum ist das Opfer. Offensichtlich macht genau das dem österreichischen Regisseur Spaß. Er ist nicht das erste Mal weit weg von einem Happy End.
Kino:
Anonymer User
4,5
Veröffentlicht am 5. März 2018
Starkes Familienporträt, welches die Handlung zurückstellt, um sich die Ängste und Schwächen der Figuren nacheinander vorzunehmen. Allerdings führt Haneke seine Protagonisten nicht vor. Stattdessen nähert er sich ihnen kalt und analytisch, und macht auf diese Weise das Innenleben aller Beteiligten begreiflich. Szenisch ist der Film gewohnt ruhig, und insbesondere nach starken Szenen fällt es auf, wenn einige Einstellungen etwas zu lang ausgehalten werden, aber das nur am Rande. Darüberhinaus ist positiv hervorzuheben, dass Haneke erneut weitgehend auf Schockmomente verzichtet und bei auftretender Gewalt den Schauwert auf eine Minimum reduziert, um nicht vom inhaltlichen Drama abzulenken.
4,5
Veröffentlicht am 22. Mai 2020
Haneke lässt mit diesem Film Gnade dem Zuschauer gegenüber walten, wenn man Funny Games gesehen oder besser gesagt durchlitten hat. Happy End ist trotzdem ein bitter zynisches Werk, das den Zuschauer schnell einfängt und mit den Protagonisten leiden lässt. Die eigentlich Handlung ist dabei nur Vehikel für den Blick in die Familie, oder besser auf die Personen, die keine Familie mehr bilden. Sehr lange Szenen mit i.d.R ruhigen Handlungslinien verstärken die dramatische Wirkung kunstvoll. Mit diese nebeneinader liegenden Handlungslinien touchiert Haneke das Genre des Episodenfilms - ohne das es einer ist. Dieses Stilmittel nurtzt er, um die Entfremdung zwischen den Handelnden zu dokumentieren. Von mir eine klare Empfehlung sich diesen hervorragenden Film anzusehen. FSK 12 ist wegen der sexuell bestimmten Chatformulierungen und der Thematisierung Suizitwunsch problematisch.
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