Ein abgelegenes Bergdorf in Aserbaidschan. Hier lebt der Bauer Tapdiq mit seiner Frau und drei kleinen Söhnen. Tapdiqs Traum ist es, sich eine europäische Kuh anzuschaffen. Die erhofften besseren Milcherträge des stattlichen Tiers sollen ihm und seiner Familie zu ein wenig mehr Wohlstand verhelfen. Was für den unbedarften Zuschauer simpel und durchaus machbar klingt, erweist sich für den Protagonisten allerdings als Mammutaufgabe. Eine europäische Kuh gab es in seinem Bergdorf nämlich noch nie und so befürchten viele der Nachbarn, dass das westliche Nutztier Krankheitserreger einschleppen könnte. Doch Tapdiq lässt nicht locker …: Natürlich geht es dem aserbaidschanischen Regisseur Imam Hasanov in seinem vielschichtigen, aber uneinheitlichen Dokumentarfilm „Holy Cow“ nicht nur um das Rindvieh im engeren Sinne, vielmehr behandelt er anhand der aus dem Alltag gegriffenen Episode den ewigen Widerstreit zwischen Tradition und Moderne sowie die Angst vor dem Fremden und Unbekannten.
„Bringt keine Leute aus anderen Gegenden hierher“, zitiert einer der Dörfler eine seiner Meinung nach kluge Frau. In der kleinen Berggemeinde geht alles schon seit Jahrzehnten und Jahrhunderten seinen altgewohnten Gang, neue Ideen werden routiniert abgekanzelt und alles Fremde bedeutet Ungemach – das gilt auch für die eigentlich harmlose Kuh, die Tapdiq übrigens „Madonna“ taufen will. Die Konflikte und Hintergründe gewinnen bei der dokumentarischen Methode von Regisseur Imam Hasanov, die ein wenig an die Handschrift von Volker Koepp („Söhne“, „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“) erinnert, gleichsam nebenbei Profil. Hier gibt es keine klassischen Interviewsituationen und Kommentare, stattdessen setzt der Filmemacher auf alltägliche Gespräche zwischen Tapdiq und seiner Familie oder seinen Nachbarn sowie auf lange beobachtende Einstellungen vom entbehrungsreichen Leben der Dorfbewohner. Bisweilen sorgen allerdings arg gestellt wirkende Szenen für Irritation: Wenn Tapdiq etwa ein Poster einer europäischen Kuh zu Hause an die Wand hängt, dann kommt einem das vor wie ein Regieeinfall.
Fazit: In „Holy Cow“ wird eine Milchkuh zum Aufhänger für ein dokumentarisches Porträt einer von starren Traditionen dominierten Gesellschaft.