Dass Cameron und Colin Cairnes zwei lustige Gesellen sind, hatten die beiden australischen Brüder bereits mit ihrem Fun-Splatter-Debüt „100 Bloody Acres“ unter Beweis gestellt. Die blutige Komödie um zwei verschrobene Landeier, die menschliche Leichen zu Dünger verarbeiten, sicherte dem Regie-Duo einige Aufmerksamkeit auf dem Fantasy Filmfest 2013. Da ist es wenig überraschend, dass 2016 mit „Scare Campaign“ auch der zweite Kinofilm der blutliebenden Spaßvögel aus Down Under seine Deutschlandpremiere auf dem Fantasy Filmfest feierte, zumal die Horrorkomödie mit einer schön schrägen Prämisse aufwartet: „Scare Campaign“ ist ein TV-Format, bei dem ahnungslose Aussies vor versteckter Kamera mit gruseligen Gestalten zum Narren gehalten werden. Und selbstverständlich verselbständigt sich die perverse Spielerei irgendwann. Das alles macht über weite Strecken Spaß, doch es bleibt auch reichlich Potenzial ungenutzt.
In der fünften Staffel geht der einst äußerst erfolgreichen australischen Reality-TV-Serie „Scare Campaign“ allmählich die Luft aus. Die Lage spitzt sich zu, als das klassische Fernsehformat sinistere Konkurrenz aus dem Internet erhält: Dort sorgen seit einiger Zeit fiese Snuff-Videos einer geheimnisvollen Gang mit bizarren Masken für neue Klickrekorde. „Scare Campaign“-Regisseur Marcus (Ian Meadows) muss sich für die nächste Episode etwas ganz Besonderes einfallen lassen, da die Serie ansonsten unwiderruflich abgesetzt wird. Sofort macht sich Marcus zusammen mit seinem Team, darunter Emma (Meegan Warner) und Neuzugang Abby (Olivia DeJonge) an die Arbeit. Die neue Folge spielt in einem finsteren alten Sanatorium und soll mit einigen blutigen Überraschungen garniert werden. Allerdings beginnt unverhofft ein allzu reales Abschlachten, das selbst dem wenig zimperlichen Marcus zu weit geht.
In „Scare Campaign“ entfachen die Cairnes-Brothers ein vergnügliches und durchaus unterhaltsames Gemetzel. Der Film beginnt recht stimmungsvoll mit einer Episode der Serie, die in einer Leichenhalle spielt. Angefangen beim schrägen neuen Nachtwächter über unappetitliche Details wie Haarreste an einer kleinen Schädelspalter-Kreissäge wird hier auf gelungene Weise eine Stimmung unheilvoller Erwartung etabliert, die fast alles möglich erscheinen lässt. Doch gleich hier gibt es auch die erste kleine Enttäuschung, wenn die Sequenz in einem J-Horror-Finale kulminiert, wie man es ganz ähnlich schon viel zu oft in japanischen Horrorfilmen wie „The Ring“ oder „Kairo“ gesehen hat. Dieses Gefühl von Déja-vu zieht sich für den Genrekenner durch den gesamten Film, denn Cameron und Colin Cairnes bewegen sich vorwiegend in ausgetretenen erzählerischen Pfaden, was sie mit atmosphärischen Stärken und hübschen Einzelheiten aber weitgehend wettmachen.
Auch die in Horrorkomödien fast schon obligatorische Prise Selbstreflexivität wirkt in „Scare Campaign“ nicht unbedingt frisch, doch effektiv eingesetzt wird sie allemal. So ist das verlassene alte Sanatorium, wo der doppelbödige Hauptteil der Handlung stattfindet, eine tolle Location, wie gemacht für einen Horrorfilm: ein Labyrinth aus leeren Fluren und Zimmern mit abgewetzten Wänden und vergitterten Fenstern, in dem man keine fünf Minuten alleine verbringen möchte. Zudem sorgt Regisseur Marcus für ein ordentliches Plus an Gruselatmosphäre, indem er künstlichen Wind durch Vorhänge wehen und Türen wie von Geisterhand zuschlagen lässt. Zur Untermalung kommen dazu ein furchterregendes Knarren und ein gespenstisches Gewisper vom Band. Hier sieht sich der Zuschauer gleichsam selbst beim Betrachten eines im Film gemachten Horrorfilms zu.
„Das war doch sowas von klar!“ – mit diesem Einwurf aus dem horrorfilmerfahrenen Publikum wurde beim Fantasy Filmfest in Frankfurt die erste „unerwartete Wendung“ in „Scare Campaign“ kommentiert. Und auch die weiteren immer wieder in die Handlung eingestreuten Twists kommen für den halbwegs kundigen Betrachter alles andere als unerwartet. Hier hilft dann auch der Verweis auf eine etwaige Metaebene nicht mehr, vielmehr haben sich die Macher da offenbar für cleverer gehalten als sie dann tatsächlich waren. Doch die Cairnes-Brüder ziehen ihren launigen Splatter-Stiefel mit so viel Humor und einem gekonnt erhöhten Härtegrad durch, dass die erwähnten Schwächen den Spaßfaktor letztlich nicht übermäßig beeinträchtigen.
Fazit: Der Reality-TV-Slasher „Scare Campaign“ löst nicht alle Versprechen seiner vielversprechenden Ansätze ein, aber ein kurzweiliger Splatter-Spaß ist dennoch herausgekommen.