Wer fotografiert wird, stirbt!
Von Antje WesselsGerade im Horrorgenre wird es immer mehr zum vielversprechenden Karrierekonzept, erst einmal einen furchterregenden Kurzfilm zu drehen und sich dann jemanden zu suchen, der einem einen darauf aufbauenden Langfilm finanziert. Der Norweger Lars Klevberg reiht sich dabei mit der Langfassung seines 2015 erschienenen Grusel-Kurzfilms „Polaroid“ in eine wirklich namhafte Liste ein: Auch Sam Raimi („Tanz der Teufel“), James Wan („Saw“), Andy Muschietti („Mama“) und David F. Sandberg („Lights Out“) haben schließlich zu Beginn ihrer Karriere jeweils einen ihrer Kurzfilme auf Spielfilmlänge aufgeblasen. Einen zentralen Unterschied gibt es da allerdings schon: Wo sich die Kurzfassungen in den anderen Fällen allesamt als solides Fundament für starke bis herausragende Horrorschocker erwiesen, reichte das Konzept von „Polaroid“ schon kaum für den 15-minütigen Kurzfilm aus. Da kann man sich leicht ausmalen, wie die Sache ausgeht, wenn man die dünne Prämisse auf einen eineinhalbstündigen Hollywood-Schocker ausdehnt.
Als die Außenseiterin Bird Fitcher (Kathryn Prescott) bei ihrem Job in einem Antiquitätenladen eine alte Polaroidkamera entdeckt, ist sie sofort von ihr fasziniert. Die Hobbyfotografin nimmt das Gerät mit zu sich nach Hause, nicht ahnend, was sie sich damit angelacht hat. Denn auf der Sofortbildkamera lastet ein Fluch, der seine Vorbesitzerin bereits in den Tod getrieben hat. Als Bird damit beginnt, andere Menschen mit ihrer Kamera zu knipsen, macht sie eine unheimliche Entdeckung: Neben den fotografierten Personen taucht immer auch ein Schatten auf, der zum Zeitpunkt des Abdrückens nicht zu sehen war. Zunächst tut Bird dieses Phänomen als einen Fehler der Kamera ab, doch als nach und nach genau die Menschen sterben, die Bird zuvor fotografiert hat, begreift sie, dass der Schatten kein Defekt, sondern ein Todesbote ist...
Die Idee von einer verfluchten Kamera, die denjenigen, die sich von ihr fotografieren lassen, Leid zufügt, ist alles andere als neu, sondern wurde unter anderem bereits in der „Gänsehaut“-Buchreihe und der kanadischen Gruselserie „Grusel, Grauen, Gänsehaut“ abgehandelten Es wäre also eine der Aufgaben von Lars Klevberg, dessen nächstes Projekt „Child’s Play“ (ein Reboot der „Chucky“-Reihe) im Juni in den USA in die Kinos kommen soll, gewesen, der wenig originellen Prämisse frisches Leben einzuhauchen. Aber das ist ihm mit „Polaroid“ leider auf ganzer Linie misslungen.
Noch bevor „Polaroid“ als einer der ersten Filme aufgrund des Weinstein-Skandals auf unbestimmte Zeit in den Giftschrank verbannt wurde, verschob ihn die verantwortliche Produktionsfirma Dimension Films bereits mehrfach vom August 2016 zunächst in den Dezember und schließlich auf die Startwoche rund um Thanksgiving im November 2017. Dieser Schritt ist naheliegend, schließlich gilt das Thanksgiving-Wochenende in den USA doch gemeinhin als eines der besucherstärksten überhaupt und ist damit ideal, auch solchen Filmen einen gewissen Besucherpush zu ermöglichen, die von Haus aus nicht unbedingt das Potenzial für einen Kassenknüller mitbringen. Ein Alleinstellungsmerkmal, das „Polaroid“ von anderen Teenie-Gruselfilmen absetzen würde, ist schließlich nicht ersichtlich.
Ganz im Gegenteil: Vom verfluchten Gegenstand („Ring“, „Annabelle“, „Oculus“) über die verzweifelten Versuche der lustlos aufspielenden Darsteller, hinter die (sehr lahme) Geschichte desselben zu gelangen („Der Fluch“, „Unfriend“), bis hin zu den kläglich scheiternden Bemühungen, die Pläne des Bösen zu vereiteln („Slender Man“, „Final Destination“), gibt es in „Polaroid“ kaum etwas, was man so nicht schon woanders und vor allem schon deutlich überzeugender gesehen hätte. Klevberg bemüht für seinen ersten Spielfilm fast ausschließlich abgegriffene Klischees – und als eine Art Best-Of des Teenie-Horrors mangelt es „Polaroid“ schlicht an inszenatorischer Finesse.
Schon beim Horror-Rohrkrepierer „Slender Man“ bemängelten wir vor einigen Monaten, dass sich auf der Leinwand kaum etwas erkennen ließ, weil die Bilder in den atmosphärisch gemeinten Momenten derart düster waren, dass man schlicht und ergreifend nicht sehen konnte, was da eigentlich gerade gruselig sein soll. Kameramann Pål Ulvik Rokseth („22. Juli“) muss nun genau wie sein Leidensgenosse in „Slender Man“ durch die Dunkelheit stochern, damit zwischendurch immerhin schemenhafte Umrisse auszumachen sind. Dadurch erkennt man zwar lange Zeit nicht, wie das von der Kamera heraufbeschworene Monster aussieht, alles andere allerdings auch nicht. Nur ganz vereinzelt kommt Klevberg mit ambitionierteren Ideen um die Ecke: Wenn jemand das Foto mit den verfluchten Personen in der Mitte durchreißt oder es anzündet, geschieht genau das mit den darauf abgebildeten Menschen in der Realität. Potenziell hätten sich die verantwortlichen Tricktechniker hier auf morbide-spaßige Weise so richtig schön austoben können. Nur leider macht ihnen hier wiederum das sichtbar niedrige Budget einen Strich durch die Rechnung.
Fazit: Eine lahme Geschichte, miese Darsteller und eine oftmals dilettantische Umsetzung verhindern, dass man sich bei „Polaroid“ auch nur eine Sekunde lang gruselt.