Darren Aronofsky treibt offensichtlich gerne Frauen in den Wahnsinn. Nach Natalie Portman, die für ihre Hauptrolle in „Black Swan“ mit Preisen überschüttet wurde, ist nun Jennifer Lawrence dran.
Ein Ehepaar (Javier Bardem und Jennifer Lawrence) bewohnt ein großes Haus in idyllischer Landschaft. Weit und breit keine Nachbarn. Als nach und nach die Mitglieder einer fremden Familie eintreffen (Ed Harris, Michelle Pfeiffer, Domhnall sowie Brian Gleeson) und der Hausherr es aus Sicht seiner viel jüngeren Frau mit der Gastfreundschaft übertreibt, folgen merkwürdige Geschehnisse.
Die Welt der Kinogänger wird gespalten. Dabei hat doch Aronofksy für Mann und Frau die klassische Rollenverteilung gewählt: Er arbeitet und sie kümmert sich um den Haushalt, hat Kinderwünsche und wird schließlich schwanger. „Ach, wie nett“, könnten viele Männer sagen, „Ach, wie langweilig“, könnten die Stimmen aus dem Frauenlager tönen. Aber das ist nicht polarisierend. Der US-amerikanische Regisseur setzt viel weiter unten an: Er arbeitet an seiner weiblichen Hauptfigur in einer von Beginn an fesselnden Atmosphäre und in einem auf- und abschwellenden, kreischenden, bis zur Apokalypse reichenden Horrortrip die Grundbedürfnisse des Menschen ab. Sie hat Angst um ihr sicheres Dach über dem Kopf, um Luft und Wasser, um den Nachwuchs, dass der Partner sich zum Schlechten verändert und, und, und. Sie weiß trotz ihrer Jugend um ihre Vergänglichkeit und Ersetzbarkeit. Die kryptische, gewaltige und überwältigende, technisch brillant gelungene, verstörende, vereinzelt eklige Darstellung dieses Szenarios polarisiert.
Der Zuschauer sucht vergebens nach einer ausgefeilten Geschichte. Aronofsky liefert Beobachtungskino als Kunstwerk der ganz besonderen Art. Für viele Zuschauer mag es inhaltlich unfassbarer Rabatz sein, für andere eine berauschende Interpretationsspielwiese.
Um die Nuancen seiner Charaktere in dem überbordenden Gefühls-Radau zur Geltung kommen zu lassen, setzt Aronofsky auf die meisterlich agierende, mimisch unvergleichliche J.Law aus Kentucky und den vielseitigen, beeindruckenden Spanier. Mit den faszinierenden Nahaufnahmen des Stammkameramanns Matthew Libatique gehen keine Regungen in der einstürzenden Welt verloren.
Der Mensch ist trieb- und machtgesteuert, primitiv, rücksichtslos. ...und so sehr voller Liebe und Begehren um jeden Splitter seines Besitzes. Das alles lässt uns „mother!“ in spektakulärer Weise wissen.
Wer Randale ohne Substanz sucht, der greife zu „Mad Max: Fury Road“, das sehenswerte und mitreißende Verfolgungsjagd-Menü in zwei Gängen von George Miller.
Wer sich für Substanz ohne Randale entscheidet, liegt mit „Paterson“ goldrichtig. Wer hätte gedacht, dass ein Regisseur und Autor (Jim Jarmush) den Alltag eines poetisch veranlagten Busfahrers verfilmt und das Publikum begeistert?
„mother!“ vereint die emotionale Energie des Verlangens mit Körperlichkeit und lässt seine Protagonistin dafür eine intensiv bebilderte Dauerpsychohölle durchleben, die alle auf Effekte und schnöde Schockmomente abzielende Horrorstreifen als lieblose Werkelei entlarvt.
Ja, Aronofsky spinnt, und zwar mutig, tiefgreifend kreativ. Welch ein Erlebnis für das Publikum!