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    Imperium
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Imperium
    Von Andreas Staben

    Man sieht, was man sehen will, aber die Dinge, vor denen man die Augen verschließt, sind trotzdem da.“ Mit diesen Worten kritisiert die von Toni Collette („Muriels Hochzeit“) gespielte FBI-Agentin in Daniel Ragussis‘ „Imperium“ ihre Kollegen, die sich beim Anti-Terror-Kampf zu sehr auf Islamisten versteift und so die aus dem Inneren drohende Gefahr durch rechtsextreme weiße Rassisten unterschätzt hätten. Das von den realen Erlebnissen des Undercover-Agenten Michael German inspirierte Thriller-Drama illustriert und bekräftigt diese Sicht auf die Bedrohungslage und liefert ein Porträt einer ebenso vielfältigen wie beängstigenden radikalen Subkultur. Für den emotionalen Punch sorgt dabei Hauptdarsteller Daniel Radcliffe, dessen Besetzung sich als weit mehr als ein Marketing-Coup („Harry Potter als Neo-Nazi“) erweist. Nachdem er zuletzt als furzende Leiche in „Swiss Army Man“ geglänzt hat, testet er hier als Undercover-Agent zum wiederholten Male seine schauspielerischen Grenzen aus und zeigt dabei eine reife Leistung.

    Der leicht nerdige FBI-Agent und Brahms-Liebhaber Nate Foster (Daniel Radcliffe) ist ein Außenseiter im Büro. Als sie sieht, wie einfühlsam der junge Kollege im Verhör mit einem muslimischen Terrorverdächtigen umgeht, hält die höherrangige Agentin Angela Zamparo (Toni Collette) ihn trotz seiner fehlenden Erfahrung im Feld für den idealen Kandidaten, um die rassistische White-Supremacy-Szene zu infiltrieren. Sie glaubt, dass rechtsextremistische Kräfte im Umkreis von Washington unter dem Einfluss des Internet-Radiomoderators Dallas Wolf (Tracy Letts) einen Anschlag mit radioaktivem Material planen. Nate wird als vorgeblicher Ex-Marine Nathan zunächst in eine Skinhead-Gruppe eingeschleust und kommt über den Vordenker Gerry Conway (Sam Trammell) schließlich auch in Kontakt mit Dallas. Sie alle schwingen große Reden, doch wollen sie auch wirklich zur Terrortat schreiten?

    Schon mit seiner ersten Titeleinblendung (ein nachträglich Hitler zugeordnetes Zitat über die brückenbildende Eigenschaft von Worten) etabliert Regisseur und Drehbuchautor Daniel Ragussis eines der wichtigsten Motive seines Films: die manipulative Macht der Sprache. Entsprechend findet der von Tracy Letts („Empörung“) mit fast schon dämonischer Unverfrorenheit gespielte Radio-Hassprediger, der sich selbst abwiegelnd als Entertainer bezeichnet, bei jenen tumben Skinheads, die schwarzen Männern mit blonden Frauen eine Abreibung verpassen wollen, genauso Gehör wie bei den Mitgliedern der Arier-Miliz von Andrew Blackwell (Chris Sullivan), die sich mit reichlich Waffen in ihrem Quartier in den Wäldern von Virginia verschanzen und auf den Umsturz warten. Aber all dies samt der etwas plakativ eingestreuten „White Power“-Aufmärsche, der Ku-Klux-Klan-Kapuzenmänner und der Nazi-Hochzeiten ist nicht so beunruhigend wie die täuschende Vorstadt-Familien-Idylle des Gerry Conway.  

    Zum vegetarischen Nazi-Netzwerk-Barbecue gibt es dort zwar Cupcakes mit Hakenkreuzen, aber es geht natürlich vor allem trotzdem um die geistige Nahrung: Schon die Kinder werden auf den bevorstehenden Rassenkrieg vorbereitet. Wenn Nate mit dem Rattenfänger Gerry (charismatisch: Sam Trammell) im Wohnzimmer sitzt und sie sich zu den Klängen klassischer Musik anfreunden, dann hat „Imperium“ seine stärksten Momente. Die Ambivalenz des Undercover-Auftrags, wo aus professioneller Einfühlung leicht persönliche Sympathie entstehen kann, wird hier genauso deutlich wie der schmale Grat zwischen harmloser Bürgerlichkeit und geistigem Brandstiftertum. Sowieso wird insbesondere der innere Konflikt, den Nate durchlebt, überzeugend dargestellt, während seine Tarnung als markig auftretender Experte für Waffen und Chemikalien nicht immer glaubhaft ist, was wiederum nicht am engagierten Daniel Radcliffe liegt. Hier sind die zahlreichen Denkanstöße (vom konkreten Hinterfragen der FBI-Strategien bis zum unwillkürlichen Gedanken an den Wahlkämpfer Donald Trump) einfach wichtiger als die Handlungslogik und die äußere Spannung - bis zum enttäuschend eindeutigen Ende.

    Fazit: Ein hervorragender Daniel Radcliffe begibt sich im facettenreichen „Imperium“ in die Welt der „White Supremacy“-Ideologen, der Neo-Nazis, weißen Rassisten und Verschwörungstheoretiker.   

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