Robert Eggers gehört seit Jahren zu den vielversprechendsten Regisseuren, die Hollywood gegenwärtig zu bieten hat. Bereits seit seinem Indiehorrrormeisterwerk „The Witch“ bewies er, dass er ein ausgesprochen großes Talent dafür besitzt klassische Elemente des Folkhorror, mit einzigartigen Bildern zu paaren, historisch korrekt zu arbeiten, dabei grausige Stimmungen zu erzeugen und sich in Details zu verlieben. Diese Art des Handwerks lassen viele Filmemacher, gerade in Eggers Alter, häufig vermissen. Mit seinem Nachfolgefilm „Der Leuchtturm“ schuf er dann sogar für mich in jeder Faser sein Meisterwerk, der damals sogar die Spitzenposition am Jahresabschluss 2019 inne hatte. Mit „The Northman“ schloss er vorerst diese Klammer und setzte endgültig ein Ausrufezeichen als eines der großen Gesichter des modernen Kino.
Mit „Nosferatu – Der Untote“ hat er sich nun einen Stoff auserkoren, der auf Bram Stokers „Dracula“ basiert, aber sich inhaltlich und stilistisch an Friedrich Wilhelm Murnaus Klassiker von 1922 orientiert, welches im Jahr 1979 von Werner Herzog ein erstes Remake erhielt. Natürlich war ich im Vorfeld extrem gespannt auf Eggers neues Werk und die Erwartungen waren sehr hoch.
Die Handlung des Filmes setzt wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland an und erzählt die Geschichte von Thomas und Ellen Hutter. Thomas soll in die Karpaten reisen um dort dem Grafen Orlok eine Immobilie in Wisborg zu verkaufen. Doch unheimliches passiert im Schloss und scheint auch seine Frau Ellen in Deutschland zu befallen, die auf eine sonderbare Art mit dem Grafen verbunden ist.
Inhaltlich weicht Eggers kaum vom bisherigen Stoff ab. Die Handlung verlauft sehr ähnlich zu dem was wir aus den klassischen Geschichten kennen. Allerdings kann er von Beginn an, das Grundgerüst für den Film exzellent aufbauen. Die Atmosphäre ist wieder auf den Punkt gebracht und die Stimmung ist durchgehend erdrückend und bedrohlich.
Es zeigt sich, dass Eggers genau der richte war für ein Remake des Filmes. Die Kulissen sehen großartig aus und durch die echten Bauten und den geringen Einsatz von CGI immer greifbar. Auch der Einsatz des Lichtes, welches sehr häufig durch echte Beleuchtung entsteht und damit mit dem Film verschmelzt, trägt viel zur Stimmung bei. Auch durch die Farbgebung, die oft sehr sehr entsättigt wirkt oder durch die Primärfarben Blau und Grau zu tragen unterstützt die kalte Stimmung, während zumindest zwischen Ellen und Anna warme Farben gewählt werden. Das Spiel mit den Schatten und Umrissen beweist dann seine Genialität, wenn der Graf in Erscheinung tritt, der selten in seiner ganzen Bracht zu sehen ist, sondern langsam aufgebaut wird und so nie entzaubert wird. Die Kostüme und das Make-Up sind ebenfalls bestens gelungen. Besonders das Aussehen des Grafen ist treffend, zitiert den Alten, wirkt aber dennoch neu und anders. Ebenfalls hervorragend ist die Musik von Robin Carolan, sowie die wirklich herausragende Kameraarbeit von Jarin Blaschke. Eggers Stammkameramann zaubert hier an einer Reihe hervorragende Bilder, die man sich gerne einrahmen möchte.
Alleine durch die visuelle Gestaltung sticht der Film raus und rechtfertigt die Neuauflage des Klassikers, der für mich eine Besonderheit darstellt, da ich noch nie drei Verfilmungen, des gleichen Stoffes so großartig umgesetzt gesehen habe.
Und auch die Darsteller muss man durchgehend loben. Emma Corrin, Aaron Taylor-Johnson, Willem Dafoe und Ralph Ineson sind perfekt gecastet und machen einen tollen Job. Auch Nicholas Hoult als Thomas Hutter spielt wieder hervorragend, wird aber von Lily-Rose Depp nochmal überboten, die eine Glanzleitung hinlegt und den Film trägt. Sie kann jede Phase ihrer Figur glaubhaft spielen und wechselt in den Szenen hervorragend ihr Spiel. Das bildet ihre beste Leistung und ist eine willkommene Abwechslung, dass Eggers genau ihre Rolle, im Vergleich zu den anderen Verfilmungen deutlich ausbaut. Bill Skarsgård als Graf ist hingegen nicht zu erkennen. Er spielt das gewohnt gut und der Einsatz der Untertitel macht das ganze greifbar. Auch sein Look, der in den Trailern nie gezeigt wurde, ist klassisch und modern, dabei grausig und abschreckend.
Eggers verbindet das ganze dann noch zusätzlich mit einer psychosexuellen Ebene, paart Begehren und Abscheu, mit einem feministischen Unterton und stellt den Untoten als Metapher für die Depression dar. Das ist hervorragend verbunden und ein exzellenter Start ins neue Jahr.
Kurz: Robert Eggers Interpretation des Klassikers setzt diesem neue Elemente hinzu, bleibt aber der Geschichte treu. Das Schauspiel ist ebenso hervorragend wie das perfekte Handwerk, in dessen Zentrum Kameraarbeit, Belichtung, Musik, Make-Up oder Kostüme auf dem Punkt sind. Das Spiel mit Farben, Licht und Schatten, beherrscht er mit Bravur, wodurch das Gesamtwerk des Vampiren hervorragend in die Moderne geführt wird, wie ein Blockbuster wirkt, aber nie dessen Konventionen übernimmt und auf Effekthascherei setzt. Eggers vierter Film ist wieder herausragendes Kino geworden.