Bisher habe ich mir im Kino noch nie ernsthaft Gedanken darüber gemacht, ob ich das Ende der Vorstellung noch erleben werde. Bei dem Techno-Monsterfilm „Der Nachmahr“ war das nun zum ersten Mal der Fall – und ich werde seinem Regisseur Akiz wohl auf ewig dankbar für dieses einmalige Erlebnis sein! Natürlich stehen da zu Beginn Warnungen, etwa an Epileptiker wegen der Stroboskopeffekte. Aber so schlimm wird’s schon nicht werden, denkt man sich dann, schließlich machen sich die Macher ja selbst darüber lustig, wenn sie in einer weiteren Einblendung direkt fordern, dass der Film möglichst laut gezeigt werden soll – und das wurde er dann auch: Schon nach der eröffnenden Rave-Szene in einem Freibad, deren extremen Stroboskopeffekte selbst die Exzesse aus „Irreversibel“ und „Universal Soldier: Day Of Reckoning“ locker in den Schatten stellen, stritten in mir die absolute Faszination für die einzigartige Energie des Films und ein fast unbezwingbarer Fluchtinstinkt. Zum Glück trug die Faszination letztendlich doch noch einen knappen Punktsieg davon – und so wurde ich dann Zeuge eines der aufregendsten und kraftvollsten deutschen Genreexperimente aller Zeiten!
„Der Nachtmahr“ läuft nicht einfach nur wie andere Filme auf der Leinwand vor sich hin, er penetriert sein Publikum regelrecht. Nicht einmal mit Augenzumachen oder Ohrenzuhalten kann man sich dem wirklich entziehen, aber damit geht es einem schließlich auch nicht anders als der Teenager-Protagonistin Tina (Carolyn Genzkow), die sich plötzlich mit dem nonstop fressenden und dauerkreischenden Nachmahr herumschlagen muss. Ob es sich bei der Kreatur irgendwo zwischen E.T. und einem abgetriebenen Fötus nun um ein tatsächliches Monster oder um die Manifestation einer Psychose, Magersucht oder Depression handelt, ist dabei am Ende herzlich egal: Was zählt, ist der Trip, auf den einen Akiz hier für 88 unvergessliche Minuten mitnimmt und der die Träume wie Albträume des Zuschauers im Anschluss wohl noch für Wochen dominieren wird. Wie oft liest man in englischsprachigen Kritiken von „viszeralen“ Kinoerfahrungen, also solchen, die durch Mark und Bein direkt in die Eingeweide gehen. Das ist natürlich meist übertrieben und wird einfach geschrieben, weil es sich gut anhört und es die anderen auch immer verwenden. Aber damit sollte nun bitte Schluss sein, das Wort gehört ab jetzt „Der Nachtmahr“ und basta!
Fazit: „Eraserhead“ auf Ecstasy – ein einmalig-anderes Kinoerlebnis. In den eigenen vier Wänden lässt sich „Der Nachtmahr“ hingegen wohl nur richtig genießen, wenn man die passenden Boxen und keine Nachbarn hat.
Wir haben „Der Nachtmahr“ auf dem „14 Films Around The World“-Filmfestival im Berliner Kino in der Kulturbrauerei gesehen.