„Limbo“ ist nicht nur der Name des putzigen Querstangentanzes, mit dem Animateure Pauschalurlauber beschäftigen, sondern bezeichnet in mehreren Sprachen auch ein vage definiertes Zwischenstadium, in dem Dinge oder Personen in Vergessenheit geraten können. Das kann man auf mittelalterliche Vorstellungen von unschuldigen Seelen ebenso beziehen wie auf Formulare, die in den Mühlen der Bürokratie verloren gehen oder auf Erzählungen ohne Auflösung. Die dänische Filmstudentin Anna Sofie Hartmann nennt nun ihr experimentell-assoziatives Langfilmdebüt mit programmatischer Absicht „Limbo“ und stellt der Geschichte einer unerwiderten Liebe dokumentarische Bilder der Hafenstadt gegenüber, in der sie geboren wurde.
Die junge Lehrerin Karen (Sofia Nolsøe) erscheint einigen ihrer SchülerInnen „zu feministisch“. Sie nimmt „Antigone“ und „Nora - Ein Puppenheim“ durch (also wichtige Frauenfiguren der Weltliteratur) und diskutiert gern über die „stereotype Indoktrination von Geschlechterrollen“. Schülerin Sara (Annika Nuka Matthiassen), auf der lange Zeit der Fokus der Geschichte liegt, eröffnet der Lehrerin schließlich, dass sie sich in sie verliebt hat, worauf sich die Pädagogin aber nicht einlässt. Das Verhältnis zwischen den beiden ist von nun an angespannt und Sara schwänzt aus naheliegenden Gründen die Schule. Nach einem Wechsel der Erzählperspektive und einem ebenso geheimnisvollen wie sparsam gefilmten Autounfall bleibt das weitere Schicksal der Schülerin unklar.
Der trostlose Handlungsort in der dänischen Provinz ist die dritte Hauptfigur des Films. In quälend langen Einstellungen sieht man etwa den nächtlichen maschinellen Abbau von Zuckerrüben, obwohl man lieber wissen will, was direkt davor bei dem mysteriösen Unfall passiert ist. Die Erwartungen des Zuschauers werden immer wieder und auf manchmal fast provokativ wirkende Weise unterlaufen, doch die Inszenierung wirkt dabei zu beliebig, um nachhaltig Interesse zu wecken. Hier und da gibt es atmosphärische Momente oder verheißungsvolle Blicke, doch die endlosen Kamerafahrten durch die öde Landschaft, die äußerst vage an die Erzählung angebundenen Einstellungen aus der Zuckerfabrik oder die bedeutungsschwangeren Großaufnahmen vermeintlich theaterinteressierter Schüler, die ihre wenigen Zeilen vom Zettel ablesen, bleiben in diesem Zusammenhang allzu abstrakt. So unterschiedliche Schlagworte wie „Leere“, „Provinz“. „Montagetheorie“ oder „Geschlechterrollen“ liegen zwar in der Luft, aber ihr assoziatives Potenzial verpufft im „Limbo“ zwischen formalem Experiment und Erzählkino.
Fazit: Der Studentenfilm „Limbo“ ist ein anstrengendes und angestrengtes Kinoexperiment.