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    Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte
    Von Michael Meyns

    Den Preis für den längsten Titel des Jahres dürfte Ken Scott mit seiner Romanverfilmung „Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Kleiderschrank feststeckte“ gewinnen, den Preis für den originellsten Film hingegen eher nicht. Der kanadische Regisseur („Big Business“) schickt seinen Helden, der zwar kein Fakir, dafür aber sehr sympathisch ist und mit seiner Naivität und seinem Optimismus die Herzen aller Frauen erobert, auf einen wilden Trip um die Welt: von Mumbai nach Paris, Rom, Tripolis und wieder zurück. Als nette, leichte Unterhaltung hätte das auch ganz gut funktionieren, aber der Versuch, zugleich auch die aktuelle Flüchtlingsthematik zu behandeln, verhebt sich die Klamotte gewaltig.

    Aja (Dhanush) ist in den Slums von Mumbai aufgewachsen, lebt mit Anfang Zwanzig immer noch bei seiner geliebten Mutter und träumt davon, reich zu werden. Als Magier und Taschendieb schlägt er sich so durch, doch nach dem Tod seiner Mutter will er endlich herausfinden, wer sein Vater ist. Ein alter Liebesbrief verweist auf Paris, die Stadt der Liebe. Und so macht sich Aja auf eine lange Reise, auf welcher er sich unsterblich in die Amerikanerin Marie (Erin Moriarty, „Captain Fantastic“) verliebt, in Rom mit der Schauspielerin Nelly (Bérénice Bejo, „The Artist“) einen rasanten Tanz aufs Parkett legt und immer wieder dem somalischen Flüchtling Wiraj (Barkhad Abdi, „Captain Philips“) über den Weg läuft…

    Romain Puértolas' 2014 veröffentlichter Roman stammt aus einer Welt, in der auch Literatur am Reißbrett entsteht und überdeutlich dem Erfolg anderer Werke nacheifert. In diesem Fall ist das Jonas Jonassons Buch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, das inzwischen auch schon verfilmt wurde. Das Prinzip des Culture Clashs variieren beide Romane und auch ihre Verfilmungen, wobei Ken Scott bei seiner Adaption eine Spur instinktloser vorgeht. In bester „Slumdog Millionaire“-Manier zeigt er die Armut in den Slums von Mumbai als buntes Treiben, voller exotischer Menschen, die in bunten Kostümen ihr Elend weglächeln. Der Bollywood-Star Dhanush ist mit seinen lieblichen Gesichtszügen dann auch die ideale Besetzung des verträumten Weltreisenden.

    Ken Scott erschafft bei der Reise seines Helden Fantasieversionen von Paris und Rom – Welten, in denen kaum Einheimische zu finden sind, sondern Amerikanerinnen in Frankreich und Französinnen in Italien, die alle Englisch sprechen und von makellosem Äußeren sind. Ein bonbonfarbenes Setting, leicht und oberflächlich, wie man es aus den Masala-Movies aus Bollywood kennt, die vor der Kulisse berühmter Sehenswürdigkeiten und atemberaubender Landschaften in Europa gedreht werden. Wobei diese letztlich nur austauschbare Hintergründe für bombastische Revuenummern sind.

    Als märchenhafter Liebesfilm, in dem ein unbeholfener junger Mann durch allerlei Zufälle seine große Liebe findet, sie verliert und Berge versetzen muss, um wieder mit ihr zusammenzukommen, funktioniert das zumindest ordentlich. Doch leider wird Ajas Reise, die aller Hindernisse zum Trotz letztlich vollkommen problemlos abläuft, mit den Flüchtlingsströmen in Bezug gesetzt, die seit Jahren nach Europa ziehen und weitreichende politische und soziale Folgen haben. Als er sich im titelgebenden Kleiderschrank wiederfindet, trifft Aja zum ersten Mal auf den somalischen Flüchtling Wiraj, der ihm seine herzzerreißende Fluchtgeschichte erzählt. Später begegnet er ihm in einem Lager in Tripolis erneut - und wenn man weiß, wie katastrophal die Zustände in Libyen sind, kann man es kaum fassen, dass sich Aja mit ein wenig Geld problemlos ein Ticket nach Paris kauft und einfach nach Europa fliegt. Ja, dies ist ein Märchen, doch so verniedlichend mit einem der heikelsten und wichtigsten Problemthemen unserer Zeit umzugehen, ist dann doch - vorsichtig ausgedrückt - einfach zu gewagt.

    Fazit: Als leichte Unterhaltung funktioniert Ken Scotts märchenhafter Reisefilm recht gut. Aber der Versuch, auch die Migrationsproblematik mit einzubinden, erzeugt eine Mischung aus Märchen und Realität, die hier nicht zu spannenden Reibungen, sondern zum Schiffbruch führt.

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