Am Anfang verlaufen sich die Protagonisten erst einmal im Jakob-Kaiser-Haus an der Spree, wo die meisten Abgeordneten des Deutschen Bundestags ihr Büro beziehen. Für ihren Dokumentarfilm „Die Gewählten“ begleitet die Regisseurin Nancy Brandt fünf junge Neu-Parlamentarier um die 30 im Verlauf der Legislaturperiode von 2009 bis 2013, die vor allem von der Energiewende im Schatten von Fukushima und von den Auseinandersetzungen um das umstrittene Bauprojekt „Stuttgart 21“ geprägt war. Die neuen Abgeordneten der CDU, SPD, FDP, der Grünen und der Linken starten ihr Mandat mit hehren Ambitionen und realisieren bald, dass der politische Alltag zuweilen recht zermürbend abläuft. Wie bewältigen die jungen Parlamentarier die ungewohnten Anforderungen? Und inwieweit ist es ihnen möglich, ihre Vorstellungen im politischen Getriebe umzusetzen? Regisseurin Nancy Brandt liefert einen zurückhaltenden (auf erklärende Off-Kommentare verzichtet sie), manchmal humorvollen und sehr schnörkellos gefilmten Einblick in die konkrete Bundestagsarbeit. Den vier Jahren der Legislaturperiode entsprechend ist „Die Gewählten“ in vier Kapitel unterteilt, die jeweils in ein Zwischenfazit der Jungpolitiker münden. Die analytische Schärfe von „Democracy – Im Rausch der Daten“ über die Arbeit des EU-Parlaments erreicht der Abschlussfilm von der Hochschule für Fernsehen und Film München zwar nicht, aber unterhaltsam und aufschlussreich ist auch er allemal.
Brandt stellt ihre Interviewfragen aus dem Off und begleitet die jungen Politiker bei ihren ersten Reden, der Arbeit in Ausschüssen oder bei Ausflügen in die Wahlkreise. Sebastian Körber (FDP) geht seine politische Laufbahn wie auch Steffen Bilger von der CDU als Karriere an. Das Wichtigste sei die Wiederwahl, sagt Bilger – und posiert dafür mit Körber auch für ein Foto-Shooting von der „Auto Bild“. Der Umgang mit den Medien will gelernt sein, wie auch Agnes Krumwiede (Bündnis 90/Die Grünen) feststellen muss, als die Boulevardpresse die Pianistin zur „Miss Bundestag“ stilisiert und ihr Engagement für Kulturschaffende in den Hintergrund rückt. Der für die Linke in den Bundestag eingezogene Jurist Niema Movassat organisiert derweil Demos, bei denen er auch als Sprecher auftritt. Durch ihr soziales Engagement fällt auch die Leipziger Physikerin Daniela Kolbe (SPD) auf, die in einer Szene eine geduldete Flüchtlingsfamilie besucht, deren kleine Tochter von der Abschiebung bedroht ist. Nach Ablauf der vier Jahre haben sich die fünf neuen Parlamentarier sichtlich verändert, auch äußerlich. Steffen Bilger sind graue Haare gewachsen, während Daniela Kolbe mit ihrer immer kürzer werdenden Frisur wohl auch tougher wirken will, um sich im männlich dominierten Politikbetrieb durchzusetzen. Am Ende schaffen nicht alle der jungen Abgeordneten die Wiederwahl – und der Zuschauer hat eine Vorstellung davon, wie der Alltag eines deutschen Parlamentariers abläuft.
Fazit: Kurzweilige Doku über fünf junge Abgeordnete, die nach der Bundestagswahl 2009 neu in das Parlament eingezogen sind.