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    Das Belko Experiment
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Belko Experiment
    Von Christoph Petersen

    Bevor Nerd-Regisseur James Gunn in den vergangenen Jahren mit den „Guardians Of The Galaxy“-Filmen in Rekordzeit zum Blockbuster-Garanten aufgestiegen ist, war das „PG Porn“-Mastermind vor allem für seine schwarzhumorigen Genre-Projekte wie „Slither“ bekannt. Sein Markenzeichen: ein vermeintlich platt-fieser Humor, hinter dem aber regelmäßig unerwartete Abgründe lauern. So etwa in seiner vermeintlichen Superhelden-Parodie „Super – Shut Up, Crime!“, die sich schließlich als brutal-boshafte, politisch bis zum Erbrechen inkorrekte Selbstjustiz-Satire entpuppt. Das Drehbuch zum Büro-Splatterfilm „Das Belko Experiment“ hat Gunn noch vor „Super“ geschrieben, aber als dann das grüne Licht vom Studio kam, steckte der Regisseur gerade mitten in seiner Scheidung von Jenna Fischer und hatte einfach keine Lust mehr, sich monatelang mit einer solch negativen Thematik zu beschäftigen. Das Skript landete also wieder in der Schublade – und dort würde es wahrscheinlich auch heute noch liegen, wenn Gunn nicht plötzlich zum Regiestar aufgestiegen wäre. Stattdessen hat sich Erfolgsproduzent Jason Blum („The Purge“-Reihe, „Insidious 1 – 4“) den Stoff nun vorgeknöpft – und mit „Wolf Creek“-Regisseur Greg McLean für ein Budget von fünf Millionen Dollar fürs Kino verfilmt.

    In einem abseitsgelegenen Bürogebäude in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá sitzt Belko Industries, eine gemeinnützige Organisation, die Unternehmen aus den Vereinigten Staaten dabei hilft, US-Mitarbeiter für ihre Niederlassungen in Südamerika zu finden. Als Mike Milch (John Gallagher Jr.) eines Morgens zur Arbeit kommt, verlaufen nicht nur die Sicherheitskontrollen viel strenger als sonst, die einheimischen Angestellten werden sogar gar nicht erst reingelassen. Wenig später ertönt eine Stimme aus den Lautsprechern, die den 80 Anwesenden verkündet, dass sie in der nächsten halben Stunde zwei Personen aus ihrem Kreise umbringen müssen – egal wen, egal wie. Natürlich glauben zunächst alle an einen schlechten Scherz oder einen Cyberterroristen, der sich in die Sicherheitssysteme des Gebäudes gehackt hat. Aber als nach dem Verstreichen der Frist gleich vier Köpfe explodieren, wird den in dem Bürokomplex wie in einem Versuchslabor eingesperrten Belko-Angestellten schlagartig bewusst, dass die Lautsprecherstimme ihre Forderungen absolut ernst meint – und die nächste Runde des blutigen Experiments lässt auch nicht lange auf sich warten…

    Hätte James Gunn das Skript nicht vor, sondern nach seiner Scheidung geschrieben, dann könnte man über „Das Belko Experiment“ wohl komplette psychoanalytische Vorlesungen abhalten – immerhin ist seine Ex-Frau Jenna Fischer mit ihrer Rolle in der US-Version von „The Office“ zum Star geworden und in „Das Belko Experiment“ wird nun ein ganz ähnliches Sortiment an Büroarbeiter-Archetypen aufgefahren wie in der Erfolgssitcom. Allerdings ist die Splatter-Version bei weitem nicht so unterhaltsam: Obwohl unter anderem „Guardians Of The Galaxy“-Sidekick Sean Gunn (James‘ Bruder) als Putzkolonnen-Kiffer mit von der Partie ist, setzt Greg McLean den Stoff nämlich unerwartet ernsthaft um. Wenn relativ zu Beginn an der Wand der in dieser Situation natürlich extrem unpassende Motivationsspruch „Bringing The World Together“ auftaucht, hat in unserer Vorstellung noch das ganze Kino gelacht (wir haben den Film bei den Fantasy Filmfest Nights gesehen). Aber einige explodierte Köpfe und eine an Holocaust-Massenerschießungen erinnernden Reihenexekutionen später gab es nach einem Badezimmer-Gemetzel für das Schild „Please Leave This Toilette Clean For The Next User“ nur noch verhaltenes Gekicher. Ähnliches gilt übrigens für augenzwinkernde Gore-Kills: Es gibt zwar einige wenige, aber auch die wirken letztendlich eher wie Fremdkörper.

    Statt in ein rein ironisches Splatter-Fest abzugleiten, wirkt es tatsächlich angemessen verstörend, wenn der Standortleiter Barry Norris (Tony Goldwyn) und der Büro-Sexist Wendell Dukes („Scrubs“-Star John C. McGinley auf den Spuren von Bill O‘Reilly) erst anhand von willkürlichen Kriterien und später völlig beliebig festlegen, welche Gruppen von Angestellten zuerst sterben sollen. Zudem bleibt „Das Belko Experiment“ auch ohne echte Sympathieträger bis zum Schluss spannend, was vor allem daran liegt, dass sich die Macher ähnlich wie in „Game Of Thrones“ nicht an die aus dem Genre gewohnte Todesabfolge halten. So gibt es beispielsweise eine relativ prominent besetzte Figur, von der wir immer wieder sehen, wie sie sich an verschiedenen Orten versteckt und sich ansonsten aus allem raushält. Als erfahrener Genrefilmgucker denkt man sich natürlich, dass die am Ende bestimmt übrigbleibt – eine nett-ironische Pointe eben. Aber Pustekuchen: Irgendwann fährt die Figur Fahrstuhl, die Tür geht auf, Kopfschuss, Ende Gelände. Die finale Auflösung, was das nun eigentlich alles soll, ist dann zwar stimmig und konsequent, aber weder sonderlich überraschend noch übermäßig befriedigend.    

    Fazit: „Battle Royale“ im Büro - ein gelungenes, wenn auch eher verstörendes als unterhaltsames Kinoexperiment.

    Spoiler-PS: In der finalen Einstellung des Films, in der man Live-Aufnahmen der weiteren Experimente rund um den Globus sieht, taucht auf einem der Monitore übrigens Craig Robinson als Lagerarbeiter Darryl Philbin aus „The Office“ auf. Offenbar gab es in der Papierfabrik in Scranton, Pennsylvania auch solch ein Massaker – und ganz ehrlich: Wir hätten ohne jedes Zögern auch auf Darryl als Sieger getippt!

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