Über 2,5 Millionen Buchkäufer können nicht irren. Die „Häschenschule – ein lustiges Bilderbuch“ von Fritz Koch-Gohta zu Versen von Albertus Sixtus ist so etwas die Weihnachtsgeschichte für Ostern. Die Erzählung von der lernenden Hasenbande ist eingebrannt ins kollektive Gedächtnis und wird seit über 90 Jahren Schulkindern mit auf den Weg gegeben. Mit „Die Häschenschule – Jagd nach dem goldenen Ei“ wagen die Macher von „Der kleine Rabe Socke“ um Regisseurin Ute von Münchow-Pohl eine Neuinterpretation der aus heutiger Sicht vor allem pädagogisch etwas fragwürdigen Geschichte und transferieren sie in ihrem bei der Berlinale 2017 in der Reihe Generation Kplus uraufgeführten Animationsfilm in die Gegenwart – angereichert mit einer rasanten Action-Story um die Gefährdung des Osterfests. Dabei bleibt allerdings größtenteils der Nostalgiefaktor für die älteren Kenner und Fans des Buchs auf der Strecke.
Der Stadt-Hasenjunge Max (Stimme: Noah Levi, Gewinner von „The Voice Kids“) landet durch eine überschwängliche Mutprobe mitten im Wald in der Häschenschule, einem altmodischen Ausbildungscamp für Osterhasen. Sein Fluchtversuch scheitert an einer überdimensional großen Hecke und der dahinterlauernden Fuchsfamilie, die es auf das goldene Ei im Camp abgesehen hat – dem symbolischen Schlüssel für die Daseinsberechtigung der Osterhasen. Max bleibt nichts anderes übrig, als in der Häschenschule zu bleiben. Er muss nicht nur lernen, sich zu integrieren und im Schnelldurchlauf die harte Ausbildung meistern, gemeinsam mit seinen neuen Schulkameraden muss er auch den großen, bunten Kampf um das Gold-Ei bestehen, denn die neidischen Füchse setzen alles daran, das wertvolle Oval zu stehlen.
„Die Häschenschule – Jagd nach dem Goldenen Ei“ beginnt sehr verspielt: Bienen fliegen von Blume zu Blume, der Wind raschelt leise in den Blättern der üppigen Natur. Es ist das perfekt idyllische Setting der Häschenschule. Der Lehrer erzählt die Geschichte von der Entstehung des Osterfestes, die Schüler lauschen gebannt seinen weisen Worten. Dann folgt ein abrupter Bruch und es beginnt die eigentliche Handlung des Films mit dem Protagonisten Max, einem coolen Hasen in der großen Stadt. Er ist nicht ganz so lässig wie Judy Hobbs in „Zoomania“, seine Lockerheit wirkt ein wenig gewollt. Aber das passt ganz gut zu einem Jungen, der voll in der Pubertät steckt, mit Deo und Haargel im Dauereinsatz. Dieser Hasenjüngling findet schließlich im Wald seine eigentliche Berufung: Er will Osterhase sein. Und um dieses Ziel zu erreichen, muss er über sich selbst hinauswachsen. Die Moral von der Geschichte bleibt dabei entsprechend einfach und recht eindimensional.
Der Film von Regisseurin Ute von Münchow-Pohl ist ein dauerndes Spiel mit solchen Gegensätzen. Der Hase Max ist der Türöffner für die verschiedenen Hasenwelten und zugleich das Bindeglied zwischen ihnen: Stadt vs. Land, Gegenwart vs. Vergangenheit, digital vs. analog. Mit seiner coolen Mütze und etwas angestrengt wirkender Jugendsprache ist Max der Hipster unter den Hasen, genervt von den Regeln der Schule. Seine Klassenkameraden im Wald mit ihrer geradezu antiquierten Lebensweise und den braunen Hosen mit Hosenträgern sind dagegen die Nerds. Sie leben fast wie eine Sekte abgeschottet hinter einer hohen Hecke in der Vergangenheit. Der Lehrer Eitelfritz (Friedrich von Thun) und Madame Hermine (Senta Berger) sind die moralischen Wächter über das Schicksal der Langohren - dabei sind die Hasen per se die Guten, während die Füchse, die mit ihrer Eifersucht auf das Leben in Harmonie das Osterfest in Gefahr bringen, eindeutig das Böse verkörpern. Die sonst als so schlau geltenden Tiere werden hier als unverständige Trottel dargestellt, die schlicht zu blöd dafür sind, durch Vertrauen und Zusammenhalt, ihre Ziele zu erreichen.
Auch stilistisch treffen hier Welten aufeinander. Der Film ist zwar voll 3D-computeranimiert, aber die Macher orientieren sich bei der Gestaltung immer wieder auch deutlich am historischen Bilderbuchlook der Hasenschule. Nur kommen die modernen und die traditionellen Elemente nicht so recht zusammen und so entsteht nie ein einheitliches Ganzes. Die Stimmen von Senta Berger als Madame Hermine und Friedrich von Thun als Lehrer Eitelfritz wirken altbacken und belehrend, sie sind Fremdkörper in der sonst bewusst auf jugendlich getrimmten Geschichte. Mit den üblichen Slapstickmomenten gerade in den Actionszenen hat der durchaus schöne Momente für junge Kinogänger, aber die Doppelbödigkeit, an die man mittlerweile dank Pixar und Co. auch im Familienkono gewöhnt ist, fehlt hier, was das Kinovergnügen für Zuschauer jenseits der Pubertät deutlich schmälert.
Fazit: Der Buchklassiker „Die Häschenschule“ bekommt in dieser 3D-Animationsfilmversion einen modernen Anstrich, allerdings werden die teils problematischen Gegensätze der Geschichte nicht sehr subtil gegeneinander ausgespielt.
Wir haben den Film im Rahmen der Berlinale 2017 gesehen, wo „Die Häschenschule“ in der Sektion Generation Kplus gezeigt wird.