Jedes Jahr verschwinden in Indien 100.000 Kinder spurlos. Meist sind es Mädchen die zur Prostitution gezwungen oder zur Arbeit in Fabriken oder in Haushalten versklavt werden. Ein wichtiges Thema, dass auch eine filmische Aufarbeitung verdient. Der indische Regisseur Partho Sen-Gupta nimmt sich nun, nachdem er als Kind beinahe selber das Opfer einer Entführung geworden war, dieser Thematik an und setzt sie in einem albtraumhaften Labyrinth aus Häuserschluchten, Regen und Neonlichtern um.
Zum Inhalt: Der Polizist Joshi ( Adil Hussain ) bekommt es in seinem Job bei einem kleinen Polizeirevier in den Tiefen Mumbais immer wieder mit Kindesentführungen und Kindesmorden zu tun. Da seineTochter vor einigen Jahren selber spurlos verschwunden ist, leidet er umso mehr unter der Aussichtslosigkeit bei der Suche. Er flüchtet sich in Phantasien, in denen er sein Kind rettet und Rache an den Entführern nimmt. Zu Hause sitzt seine Frau völlig entkoppelt von jeder Realität und liest ihrer Tochter Geschichten vor, als ob sie noch vor ihr sitzen würde. Ein paar Blocks weiter werden die Entführungsopfer zur Prostitution gezwungen und versuchen sich Gegenseitig halt zu geben.
Im Gegensatz zur Marke Bollywood, die man sonst eher mit dem indischen Film verbindet, wird hier eine zutiefst düstere und ausweglose Geschichte beschrieben. Der Titel Sunrise ist schon deshalb irreführend, weil es im ganzen Film immer dunkel ist und der Regen unaufhörlich auf die Protagonisten herein prasselt. Es ist fast so, als ob dieser jeden Hoffnungsschimmer aus dem Moloch Mumbai hinweg spülen würde. Auf seiner Jagd rennt Joshi stets hinter Schatten her, die er niemals einholen kann und landet immer wieder im Neonlicht des Nachtclubs „Paradise“ in dem er die entführten Mädchen vermutet. Stilistisch spielt der Film mit den klassischen Elementen des Film Noir, aber auch mit der surrealen Albtraumwelt eines David Lynch. Realität, Fiktion und die verschiedenen Zeitebenen springen immer wieder hin und her versuchen so eine Sogwirkung innerhalb des urbanen Ambientes zu erzielen. Dabei wirkt die Regiearbeit von Sen-Gupta ein ums andere mal ein wenig selbstverliebt. Die brisante Thematik dient hier nur als Aufhänger um Trost- und Hoffnungslosigkeit zu visualisieren. Stimmung und Bilder drücken das auch gekonnt aus, aber hier wird ein wesentlicher Fehler gemacht: Der Film schafft es nicht den Zuschauer mit auf diese Reise zu nehmen. Der wortkarge Protagonist gewährt keinen Blick in sein Innenleben. Das Leiden der Mädchen wirkt oft klischeehaft. Alles in allem lässt einen das Gesehene merkwürdig kalt. Szenen die großes Potential für Dramatik besitzen wie z.B. eine Wohnungsdurchsuchung werden in der allgemeinen Tristesse einfach hergeschenkt. Die Bindung zum Gesehenen will einfach nicht hergestellt werden.
Fazit: Sunrise ist ein labyrinthartiger Bilderrausch zwischen düsterer Realität und surrealen Rachephantasien, der durch mangelnde Dramaturgie auch für interessierte Zuschauer nur schwer zugänglich wird.