Endlich habe ich Brian De Palmas Durchbruchsfilm auch mal vollständig sehen können. Dabei hat er einen sehr guten, aber nicht ganz perfekten Eindruck hinterlassen, weshalb ich jetzt doch umso gespannter auf das Remake bin. Der in der Redaktionskritik angesprochene Vorwurf De Palma opfere Charaktere und Handlung seinen Spielereien auf, lässt sich auch hier nicht von der Hand weisen, wenngleich die Hitchcock-Anleihen Sinn machen. Doch gerade im Vorspann, bei der duschenden Carrie, wirkt das ganze arg voyeuristisch. Warum das zeigen? Der Zuschauer soll doch mit Carrie mitfiebern - was er schließlich auch voll und ganz tut. Sissy Spacek spielt hier sehr gut, gerade weil ihre Rolle trotz übernatürlicher Einflüsse (die im übrigen beruhigenderweise eher peripher stehen) lebensnah gehalten wird. Wenn Carrie dann schikaniert wird, man als Zuschauer aus der allwissenden Perspektive auch noch erfährt wie das weiter auf die Spitze getrieben wird, kann man echt wütend werden. Eigentlich müssten alle Kinder, die andere mobben, diesen Film hier zu sehen bekommen. Genau das zeigt der Film meiner Meinung nach auch: Kinder können alles sein, furchtbar gut und liebenswert, wie auch schrecklich böse und gemein. Der Haken ist aber der: Es ist die Masse, die Carrie demütigt, die blinde Masse, die dem unchristlichen Dasein folgt (eine interessante Anspielung, denn obwohl die Mutter absolut fanatisch wirkt, ist ihre Tochter das liebenswerteste Geschöpf in dem Film) und ein wenig hohl wirkt (Jungs daten, die darüber hinaus nur Bier, Autos und Sex wollen), während es nur einige wenige, ultimativ aber nur Carrie, gibt, die besser sind. Schließlich könnte man also sagen, was interessant lutherisch gedeutet werden kann: Die Masse ist schlecht, es gibt nur wenige Gute und diese werden gedemütigt - und gut so, wenn die sich rächen können! -
Vielleicht interpretiere ich da auch zu viel rein, aber ich wollte meine Kritiken ja etwas vertiefen. Letzlich geht der Film auch nicht ganz rund auf, weil das Ende etwas zu abgehackt erscheint, und handwerklich besonders der Schnitt, manche Längen und eine eigenartige, fast unnötig ironisierende Musik überhand nimmt. -
Fazit also: Ein Außenseiterdrama mit nur winzigen Horrorelementen. Eher ist es eine Rachedrama, das leider nicht ganz aufgeht.