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    Under Electric Clouds
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Under Electric Clouds
    Von Gregor Torinus

    Der Begriff Elektrosmog gehört so sehr zu unserer Zeit wie Computer und Mobiltelefone. Dabei hat man nur eine diffuse Vorstellung davon, was es mit dieser elektronischen Art der Luftverschmutzung genau auf sich hat. Elektrosmog ist unsichtbar und im Gegensatz zu gewöhnlichem Smog kann man ihn auch nicht riechen. Die „elektrischen Wolken“ in dem surrealen Drama „Under Eletric Clouds“ von Alexey German Jr. sind hingegen sehr deutlich sichtbar. Während in Ridley Scotts „Blade Runner“ die Werbung noch per Luftschiff in den Himmel geholt werden musste, sind es in der im Jahre 2017 angesiedelten Welt des russischen Berlinale-Wettbewerbsbeitrags 2015 simple elektronische Luftspiegelungen, die das gewünschte Bild auf die stets den Himmel verdunkelnden Wolken zeichnen.

    Über einem unbestimmten Ufer erstreckt sich ein ständig trüber Himmel. Die Erde ist zum großen Teil von Schnee und Eis bedeckt, ein kalter und karger Nicht-Ort. Vereinzelt in der Einöde verstreut finden sich gewaltige Objekte aus Stahl und aus Beton: das Skelett eines Wolkenkratzers, eine unvollendete Autobahnbrücke und eine Lenin-Statue, deren ausgestreckter Arm ins Nirgendwo zeigt. Sie steht für die Orientierungslosigkeit der Menschen, alte Gewissheiten und Ideale sind bedeutungslos geworden und auch neue sind keine in Sicht.

    Als Sasha, die aus dem Ausland heimgekehrte Tochter des verstorbenen Besitzers des Bauplatzes, etwas Künstlerisches aus dem Erbe machen will, wird sie auf die Sinnlosigkeit der Idee hingewiesen: Kunst könne ohne kulturellen, politischen und ästhetischen Kontext nicht verstanden werden – und diese sinnstiftenden Kategorien hätten sich längst aufgelöst. Mit diesem zugespitzten Fatalismus macht der russische Regisseur auf die gegenwärtige geistige Verfassung seiner Heimat aufmerksam. Allerdings lässt sich seine höchst artifizielle Allegorie ohne passende Kontextualisierung auch nicht gerade  angemessen würdigen, eine „normale“ Kinoauswertung ist da für den 138 Minuten langen und extrem handlungsarmen Film womöglich gar nicht die beste Lösung.

    Fazit: „Under Electric Clouds“ ist eine von der Idee her faszinierende Parabel auf den heutigen Sinnverlust in der Welt, allerdings raubt ihr die allzu sperrige und künstliche Umsetzung viel von der möglichen Wirkung.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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