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    Downsizing
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Downsizing
    Von Christoph Petersen

    Es gibt schon etliche Miniaturmensch-Filme, die aber fast alle gemein haben, dass die Macher das Schrumpf-Szenario in erster Linie wegen der visuellen Vorzüge der ins Absurde verkehrten Größenverhältnisse nutzen, sei es für Horror („Dr. Zyklop“, „Attack Of The Puppet People“), Abenteuer („Die phantastische Reise“, „Die Reise ins Ich“) oder Humor („Liebling ich habe die Kinder geschrumpft“, „Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft“). Nun ist Alexander Payne nicht dafür bekannt, in seinen Filmen wie „Election“, „About Schmidt“ oder „Sideways“ vornehmlich auf computergenerierte Schauwerte zu setzen, was die Ankündigung des Regisseurs, auch einen solchen Schrumpf-Film drehen zu wollen, natürlich nur noch faszinierender klingen ließ. Und tatsächlich: In „Downsizing“ haben die Miniaturstädte gleichsam die Funktion eines spannenden sozialen Experiments und sind nicht bloß ein Alibi für den Großeinsatz der Spezialeffektabteilung. Aber während man in der weltenentwerfenden ersten Stunde, in der Payne uns gemeinsam mit Matt Damon auf Daumengröße schrumpfen lässt, aus dem Staunen kaum noch herauskommt, sind die (zu vielen) Geschichten, die der zweifache Oscargewinner anschließend in seinem (überraschend abgründigen) Miniaturwunderland erzählt, leider weniger gut gelungen.

    Inzwischen ist es zehn Jahre her, dass die norwegischen Wissenschaftler Dr. Jorgen Asbjørnsen (Rolf Lassgård) und Dr. Andreas Jacobsen (Søren Pilmark) ein Verfahren entwickelt haben, mit dem sich ein Mensch auf ein 2744-stel seiner ursprünglichen Körpergröße zusammenschrumpfen lässt. Schon bald nach der Entdeckung haben sich überall um den Globus Miniatur-Kolonien gegründet, die von außen betrachtet wie Modellbauausstellungen anmuten, nur dass eben lebendige Menschen darin wohnen. Offiziell wird das Schrumpfen als Möglichkeit gefeiert, den drohenden Naturkollaps doch noch aufzuhalten – schließlich verbraucht ein daumengroßer Mensch deutlich weniger Ressourcen als ein normalgroßes Exemplar. Für den einzelnen, der sich für die Extremverkleinerung entscheidet, spielt hingegen häufig ein weit weniger altruistisches Argument die ausschlaggebende Rolle, nämlich der damit verbundene soziale Aufstieg: So entsprechen 52.000 Dollar in der Miniaturwelt einem Gegenwert von etwa 12,5 Millionen Dollar (eine Puppenhausvilla ist nun mal sehr viel billiger als eine echte). Da lässt sich auch von normalen Ersparnissen plötzlich sehr, sehr gut leben – und so entschließen sich auch der Ergotherapeut Paul Safranek (Matt Damon) und seine Frau Audrey (Kristen Wiig), nachdem sie sich ihr Traumhaus in der großen Welt nicht leisten konnten, in Zukunft als kleine Menschen zu leben…

    Wenn sich Grant Williams in „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ mit einer monstergroßen Hauskatze konfrontiert sieht oder die Protagonisten in „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ fast von simplen Regentropfen erschlagen werden, dann sind das in einem Fantasy-Kontext schon ziemlich coole Setpieces. Aber wenn die erste Stunde von „Downsizing“ eines zeigt, dann dies: Auch im Jahr 2017, in dem selbst auf eine CGI-Mammutmaterialschlacht wie „Transformers 5“ viele Zuschauer nur noch mit einem milden Gähnen reagieren, können einen Spezialeffekte auf der Kinoleinwand noch immer zum Staunen bringen, wenn sie nur in einen glaubhaften Kontext gestellt werden und man nicht einfach nur überwältigt wird, sondern auch Empathie für die Situation entwickeln kann (so ließe sich übrigens auch der überraschende Effekt-Oscar für den eher zurückhaltenden CGI-Einsatz in „Ex Machina“ erklären). Alexander Payne gelingt diese Wirkung, indem er sich zunächst erstaunlich viel Zeit für die Erforschung der vielschichtigen Motivation seines Protagonisten nimmt – wenn sich Paul Safranek nach etwa einer Dreiviertelstunde schließlich der Prozedur unterzieht, dann versteht man genau, was er sich alles davon erhofft (und man begreift die tiefe Tragik, weil auf der Hand liegt, dass sich viele Probleme dann doch nicht so leicht lösen lassen).

    Die Prozedur selbst ist dann auch wenig überraschend der Höhepunkt des Films – eben auch, weil Payne bewusst auf die üblichen Fantasy-Klischees wie merkwürdige Apparaturen oder zuckende Blitze verzichtet, sondern den Verkleinerungsprozess stattdessen wie eine fast schon industriell anmutende Massenabfertigung inszeniert. Durch den steril-einheitlichen Look der Schrumpfstation und insbesondere durch das vorherige Entfernen aller Zahnimplantate, die als totes Material nicht mitschrumpfen würden, beschwören diese Szenen sicherlich beabsichtige Assoziationen an die Massenvernichtungsmaschinerie des Holocaust herauf, die dann aber auch sofort wieder augenzwinkernd gebrochen werden, etwa wenn die normalgroßen Krankenschwestern die nackten und kahlgeschorenen Mini-Menschen mit einer Art Pfannenwender aus ihren nun viel zu riesigen Betten heben. Nach dieser herausragenden zehnminütigen Sequenz und der starken Einführung der Protagonisten und ihrer sozialen Situation ist man als Zuschauer jedenfalls hochgradig gespannt, was Payne nun wohl daraus macht und was er uns alles über das Leben in einer solchen Miniaturwelt erzählen will.

    Aber mit der Ankunft in Pauls neuer Winzig-Villa entgleitet Payne sein Film zunehmend. Nicht nur erzählt er in einer Art Zickzack-Dramaturgie zu viele Handlungsstränge nacheinander (von denen zudem viele kaum etwas miteinander zu tun haben), der arg kalkuliert wirkende Hauptplot erweist sich zudem auch noch als ein einziges sozialromantisches Klischee: Nachdem Paul der Putzfrau Ngoc Lan Tran (Hong Chau), die vom vietnamesischen Regime gegen ihren Willen geschrumpft wurde, um sie so unschädlich zu machen, versehentlich ihr Holzbein kaputtgemacht hat, muss er sie die nächsten Tage bei ihrer Arbeit unterstützen und erkennt, dass hinter der glänzenden Fassade der neuen schönen Miniwelt ebenfalls ziemliche soziale Abgründe schlummern. Wenn dieser grob gestrickte Handlungsstrang in der realen Welt angesiedelt wäre, würde man ihn Payne mit Schmackes um die Ohren hauen. In dem Science-Fiction-Setting und dank der unwiderstehlich-ansteckenden Energie von Hong Chau („Big Little Lies“), dem gar nicht so heimlichen Star des Films, geht diese gut gemeinte statt gut gemachte Miniatur-Moralfabel am Ende gerade noch so durch, mehr aber auch nicht.

    Fazit: Als Ganzes ist „Downsizing“ eher misslungen – und trotzdem ist Alexander Paynes Science-Fiction-Satire wegen ihrer vielen faszinierenden Ideen und herausragenden Einzelszenen doch sehenswert.

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