STARR VOR ANGST
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
Der alte, blinde Mann ist bald wieder unterwegs – erst kürzlich gab’s hierzu den Trailer Release. Grund genug, mir endlich mal das Original anzusehen, derzeit sehr bequem abrufbar auf Netflix. Ich bin ja prinzipiell nicht so der Horrorfan, allerdings lasse ich mich in der letzten Zeit mehr und mehr zu ganz bestimmten Genrevertretern hinreißen, sofern sie nicht das eigene Weltbild durcheinanderbringen. Interessant sind unter anderem auch Genre-Hybriden wie Don’t breathe. Filme, die sich nicht festlegen, ob sie Horror oder einfach nur Thriller sein wollen. Für mich ist die Chronik eines verhängnisvollen Einbruchs ein astreiner Psychothriller. Mit, sagen wir mal so, einigen wenigen Horror-Einsprengseln, die zur Erkenntnis führen werden, den alten, blinden Mann anfangs gründlich unterschätzt zu haben. Doch auch nach dieser Um- und Neudefinition von Fede Alvarez‘ Überraschungshit aus dem Jahr 2016 will der durchkalkulierte Vier-Wände-Slasher aus so manchen Gründen nicht immer überzeugen.
Die Plot ist, wie meistens bei Horror- und Spannungsfilmen, schnell umrissen. Drei Twentysomethings aus der Unterschicht verbringen ihre Freizeit vorzugsweise damit, in leerstehende Häuser einzubrechen, natürlich meistens zu nachtschlafener Zeit. Für die Diebe kein Problem, ist doch der Vater des einen Chef einer Sicherheitsfirma, die Alarmanlagen installiert. Ist so eine mal deaktiviert, heißt es: die Rucksäcke auf und rein mit dem Klunker. Was die drei aber geritten hat, in einem gottverlassenen Vorort gerade das Haus eines blinden Kriegsveteranen auszuwählen, sind rund 300.000 Dollar, die der Alte bei sich zuhause bunkert. Die Summe als Entschädigung für seine bei einem Verkehrsunfall totgefahrene Tochter. Rocky, Alex und Money warten, bis es finster wird. In der Höhle des Löwen gelandet, steht der alte, blinde Mann flugs auf der Matte. Und denkt nicht daran, seinen wertvollsten Besitz drei Verbrechern zu überlassen.
Don´t breathe funktioniert letzten Endes nur, weil Alvarez auf einen recht relevanten psychologischen Faktor setzt: den der Angst. Was nicht heißen soll, dass der Zuseher plötzlich vor Furcht gebeutelt gar nicht mehr richtig hinsehen kann. Es ist die Angst der Protagonisten. Jane Levy (u. a. Fremd in der Welt) zum Beispiel lähmt die Panik, das Haus nicht mehr verlassen zu können. Auch der andere, Money, steht wie angewurzelt da. Nervlich betrachtet dürfte das nicht so deren Ding sein, Häuser inklusive Bewohner zu überfallen. Durch diese Lähmungserscheinungen hat der knorrige Veteran, mit zorniger Härte verkörpert von Stephen Lang, freie Hand. Und Blinde Menschen, die wütend sind, sollte man genauso wenig unterschätzen wie blinde Aliens, die in A Quiet Place aus dem Schatten kriechen. Im Grunde ist es die selbe Prämisse. Nur – Emily Blunt und Familie scheinen prinzipiell geistesgegenwärtiger zu sein als diese unbedarften Grünlinge, die erst durch ihre Inkompetenz einen gewissen Konflikt erzeugen, der das Potenzial des Filmes ausmachen soll. Letzten Endes aber quält der Millionenshow-Effekt, der bei Filmen wie diesen immer wieder eintritt. Will heißen: Daheim auf der Couch weiß man es besser. So richtig packend wird ein Film aber erst dann, wenn man selbst, wohlig lungernd in der Safe Zone, mit der Besserwisserei nicht mehr weiterkommt. Und niemand greift sich dann noch kopfschüttelnd an den Kopf, wenn in einer Katz-und-Maus-Jagd wie dieser jene den Kürzeren ziehen, die es aufgrund ihres mangelnden Weitblicks nicht viel anders verdient haben.
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