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    Chrieg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chrieg
    Von Ulf Lepelmeier

    Für seinen rauen, kompromisslos-grausamen Debütfilm „Chrieg“ durfte Regisseur Simon Jaquemet 2015 den Hauptpreis des prestigeträchtigen Max-Ophüls-Filmfestivals entgegennehmen. Das in Schweizer Mundart gedrehte Jugenddrama verstört mit der Zeichnung einer von der Gesellschaft abgeschobenen Gruppe von Teenagern, die sich von einer Welle des Zorns mitreißen lässt. Als er von Matteos (Benjamin Lutzke) ewigen Provokationen die Nase voll hat, lässt der dominante Vater (John Leuppi) den 15-Jährigen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wie einen Verbrecher abführen und in ein Bootcamp auf eine entlegene Alm bringen. In der Abgeschiedenheit der Berge soll harte Arbeit den Jungen läutern. Doch es stellt sich heraus, dass in dem Sozialisierungscamp fernab der Zivilisation längst die Jugendlichen Anton (Ste), Dion (Sascha Gisler) und Ali (Ella Rumpf) das Sagen haben. Diese stecken den bestürzten Matteo in einen engen Zwinger, bevor sie ihn nach einer Mutprobe in ihre zügellose Clique aufnehmen. Das Quartett frönt auf der Alm der Anarchie und fährt nachts für Raubzüge in die Stadt. Die Bilder der jugendlichen Antihelden, die ihre angestauten Aggressionen in brutalen Wutausbrüchen ausleben, sind zutiefst verstörend und schmerzen wie ein Schlag in die Magengrube.

    Bevor Matteo auf die Alm geschickt wird, gibt seine Lehrerin zu verstehen, dass sie die drastische Erziehungsmaßnahme des Vaters für übertrieben und unbegründet hält. Der verschlossene Jugendliche kann einem in Anbetracht der lieblosen Familienverhältnisse und der anfänglichen Erniedrigungen im Bootcamp in der ersten halben Stunde des Films wirklich nur leidtun. Umso erschreckender ist es, wenn der frustrierte Matteo in der Gesellschaft der gewalttätigen Außenseiter schnell selbst zum gewissenlosen Täter mutiert, der seinen Aggressionen freien Lauf lässt und keine Grenzen mehr kennt. Die vier Jugendlichen wenden sich gegen alles und jeden – von ihrer Alm ausgehend führen sie Krieg gegen die Erwachsenen und die Gesellschaft. Die Kamera ist stets ganz nah dabei, wenn die Laiendarsteller ihrer (Zerstörungs-)Wut nachgeben. Fast sachlich wirken die Bilder, aber erklärt wird das gezeigte Verhalten nicht. Umso unangenehmer sind die Fragen, die sich der Zuschauer selber stellt.

    Fazit: Regisseur Simon Jaquemet zeigt in seinem rauen, aufwühlenden Debütfilm ohne jegliche Wertung Jugendliche in einem erschreckenden Gewaltrausch.

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