Muhammad Ali ist der wohl bekannteste Boxprofi aller Zeiten. Neben seinen Weltmeistertiteln im Schwergewicht machte Ali auch mit seinem gesellschaftspolitischen Engagement auf sich aufmerksam. Als Spielzeugfigur, Posterboy oder Held des Comics „Superman vs. Muhammad Ali“ avancierte er weltweit zu einer festen Größe der Sport- und Popkultur. Es gab bereits unterschiedlichste filmische Annäherungen an Alis Leben: Im biografischen Drama „Ich bin der Größte“ (1977) verkörperte der kamerabewusste Star sich selbst, der Dokumentarfilm „When We Were Kings“ (1996) wurde mit dem Oscar ausgezeichnet und Michael Mann legte 2001 mit „Ali“ ein aufwändig produziertes Biopic mit Will Smith in der Titelrolle vor. Nun folgt ein weiteres filmisches Porträt des Boxers: Clare Lewins richtet den Fokus in ihrem Kinodebüt nicht nur auf die sportliche Karriere Alis, sondern nimmt in ihrer Dokumentation auch dessen rege Teilhabe an öffentlichen Debatten und die geschickte mediale Selbstinszenierung des Spitzensportlers in den Blick.
Der später als Muhammad Ali bekannte Weltstar wurde 1942 als Cassius Marcellus Clay Jr. in Kentucky geboren. Während seiner erfolgreichen Laufbahn als Schwergewichtsboxer, deren Stationen Regisseurin Lewins pflichtschuldig abklappert, bestritt Ali einige klassische Boxkämpfe wie den „Rumble in the Jungle“ gegen George Foreman oder den „Fight of the Century“ gegen Joe Frazier, was ihm 1999 eine Ehrung des Olympische Komitees zum „Sportler des Jahrhunderts“ einbrachte. Abseits des Rings machte Ali ebenfalls von sich reden. Als der Boxer öffentlich Kritik am Vietnamkrieg äußerte und folgerichtig seiner Einberufung zum Wehrdienst nicht nachkam, verlor er nach einer Gerichtsverhandlung für drei Jahre seine Boxlizenz. Für Furore sorgte auch Alis Konvertierung zum Islam, mit der auch die Namensänderung einhergeht, sowie sein Kampf für die Rechte der Afroamerikaner in den 60er-Jahren, die ihn mit Figuren wie Malcolm X zusammenbrachte. Seinen letzten Kampf bestritt der legendäre Boxer am 11. Dezember 1981 gegen Trevor Berbick.
„I Am Ali“ ist in verschiedene Kapitel unterteilt, die jeweils einem Zeitzeugen oder Wegbegleiter und somit einem Lebensabschnitt Muhammad Alis zugeordnet sind. So kommen der Sohn, die Töchter und die Ex-Frauen genauso zu Wort wie die Manager, die Gegner im Ring oder ein Fan, der nach einigen Briefen im Haus seines Idols übernachten durfte. Einige private Ton- und Videoaufnahmen, die Ali bereits im Bewusstsein seines Ruhms anfertigte, kommen mit Archivmaterial von Kämpfen und Presseauftritten zusammen. Hierbei spielt auch die Selbstinszenierung Alis eine Rolle, der sich selbst mit Nachdruck als „The Greatest“ bezeichnete und sein Image in der medialen Öffentlichkeit maßgeblich mitbestimmte. Nachdem der Weltmeister wegen seiner Verweigerung des Wehrdienstes seine Boxlizenz entzogen bekam, ließ er sich für das Cover des Männermagazins „Esquire“ in einer symbolischen Pose als Heiliger porträtieren, in dessen Körper einige Pfeile stecken. Auch die charismatischen Interviews Alis sprechen Bände: Das stolze Selbstbewusstsein des selbst ernannten größten Boxers aller Zeiten sucht bis heute seinesgleichen.
Als wäre Alis hohe Meinung von sich selbst ansteckend, bekommt „I Am Ali“ zwischendurch gelegentlich etwas Verklärendes, zum Beispiel wenn eine der Verflossenen davon spricht, in den Augen Alis Gott gesehen zu haben. Alles in allem legt Clare Lewins aber eine recht ausgewogene und informative Doku vor und findet eine gute Balance zwischen den sportlichen Anteilen, Alis öffentlichen Auftritten außerhalb des Boxrings und seinem Privatleben. Sie liefert zwar keine wirklich neuen Erkenntnisse und Perspektiven zu ihrem berühmten Protagonisten, profitiert aber von den reichhaltigen Original-Quellen, sodass die Faszination des Mannes auch ungefiltert zum Ausdruck kommen kann. Einige Anekdoten am Rande wie ein Spaßkampf gegen den Popsänger Tom Jones in Alis eigens errichtetem Trainingscamp, den einige Pressevertreter für bare Münze nahmen, oder das Engagement für einen an Leukämie erkrankten Jungen runden das abwechslungsreiche Porträt ab.
Fazit: Sorgfältig aufbereitete Doku über Muhammad Ali, in der neben der sportlichen Laufbahn vor allem die politischen Überzeugungen des Sportlers sowie seine geschickte Selbstinszenierung thematisiert werden.