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    The Last Face
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    The Last Face
    Von Carsten Baumgardt

    Der streitbare Schauspieler und Regisseur Sean Penn zählt zu den politisch engagiertesten Hollywoodstars. Er nutzt seine Popularität immer wieder, um als prominentes Sprachrohr auf Missstände in der Welt aufmerksam zu machen. Er fährt in Krisengebiete, besucht Flüchtlingslager oder interviewt den mexikanischen Drogenboss „El Chapo“ – alles im Dienst der Aufklärung. In diesen stellt Penn zunehmend auch seine Filmauswahl, aber wie bei der ähnlich sendungsbewussten Kollegin Angelina Jolie („In The Land Of Blood And Honey“) zeigt sich auch bei seiner neuesten Regiearbeit, dass gute Absichten nicht zwangsläufig zu guten Filmen führen. Sein romantisches Bürgerkriegs-Liebesdrama „The Last Face“ erweist sich als eklatante Fehlkalkulation: Die seicht-pathetische Love Story überlagert in ihrer ästhetisierten Hochglanzoptik nicht nur das erklärte Anliegen, den Blick für die Bürgerkriegsherde in West-Afrika zu schärfen, sondern führt es völlig ad absurdum. Hier werden leidende Menschen zur Staffage und ihr Elend zur Kulisse für edle weiße Humanitätsritter und ihre Liebeleien.

    Der spanische „Arzt ohne Grenzen“ Miguel Leon (Javier Bardem) hat sein Leben der Hilfe für die afrikanische Bevölkerung verschrieben. Er hetzt von Bürgerkrieg zu Bürgerkrieg, um den Unterschied auszumachen und Menschen zu retten. In Liberia lernt er 2003 die engagierte südafrikanische Ärztin Wren Petersen (Charlize Theron) kennen und lieben. Doch nach neuen Abenteuern in Sierra Leone und im Süd-Sudan trennen sich ihre Wege. Während Miguel sich weiter an der Front aufopfert, führt Wren die von ihrem verstorbenen Vater gegründete Hilfsorganisation Doctors Of The World und arbeitet eng mit dem Uno-Hilfscorps zusammen. Nach zehn Jahren taucht Miguel wieder vor Wrens Tür auf, um einen Neuanfang zu machen und an die alten Zeiten zu erinnern ...

    Sean Penn („Milk“, „Mystic River“) ist ein Mann, der die eklatanten Probleme auf dem von Armut und Bürgerkriegen geplagten afrikanischen Kontinent öffentlich benennt, wo er nur kann. Zuletzt spielte er in dem soliden Action-Thriller „Gunman“ einen Ex-Söldner, der zum Hilfsengel in Afrika wurde, für seine fünfte Regiearbeit (die erste seit „Into The Wild“ von 2007) arbeitet er sich erneut an dem Problemkontinent ab, ohne einen überzeugenden Ansatz zu finden. „The Last Face“ funktioniert auf keiner Ebene: Der erzählerische Gehalt der schwülstigen, in geschmäcklerischen Hochglanz- und Zeitlupenbildern zelebrierten Liebesgeschichte zwischen dem makellosen ritterlichen Arzt Miguel und seiner zweifelnden Kollegin Wren (die sich immer wieder fragt, ob es sich lohnt zu helfen, wenn ohnehin alle sterben) geht gegen Null. Richtiggehend ärgerlich wird das epische Geschmachte, wenn die Turtelei mit stilisierten Elendsbildern der malträtierten und vor dem Grauen fliehenden einheimischen Bevölkerung ausstaffiert wird - hier wird aus „The Last Face“ eine Art Flüchtlingsporno.

    Zu den ästhetischen und tonalen Fehlgriffen gesellt sich eine äußerst holprige Dramaturgie: Wild springt Penn zwischen der filmischen Gegenwart und Rückblenden in die Bürgerkriege in Liberia, Sierra Leone und im Süd-Sudan hin und her. Das erzählerische Unheil beginnt schon im Vorspann, wenn in drei aufeinander folgenden Einblendungen „von der Brutalität einer unmöglichen Liebe … zwischen einem Mann … und einer Frau“ die Rede ist. Schlimmer sind nur noch die Dialoge, die sich auf unterem Groschenroman-Niveau bewegen – da raunt Wren dann etwas davon, dass es sie gar nicht wirklich gegeben habe, bevor sie den edlen Miguel getroffen hat („I was an idea I had. I didn’t really exist”). Dass der sich in ihrer Abwesenheit mit ihrer Cousine Elle (Adèle Exarchopoulos) vergnügt hat, wäre nicht weiter wild, wenn sie sich nicht mit HIV infiziert hätte ... Die afrikanische Volksseuche dient hier nur als billiger Konflikt-Kick und fadenscheiniger Vorwand, um den Reißbrettfiguren ein paar Minuten emotionale Unsicherheit abzuringen.    

    Die prominente Besetzung müht sich redlich, steht hier aber auf verlorenem Posten. So ist die edle Gesinnung von Javier Bardems („Skyfall“) Miguel trotz einiger Ego-Schlenker allzu pur und absolut, die Figur bleibt ein reiner erzählerischer Funktionsträger ohne Leben. Fast noch schlimmer hat es Charlize Theron („Mad Max: Fury Road“) erwischt, denn Wren ist darauf beschränkt, Miguel anzuhimmeln, zu bocken oder das Elend der afrikanischen Bevölkerung mit Leidensmiene zu kommentieren. Und die bekannten Nebendarsteller Jean Reno („Mission: Impossible“) als Doctor Love (kein Scherz!), Jared Harris („Lincoln“) als Doctor Farber und Adèle Exarchopoulos („Blau ist eine warme Farbe“) haben erst gar keine Chance, sich auszuzeichnen - zu unterentwickelt sind ihre Stichwortgeber-Rollen.

    Fazit: Sean Penns missratenes Liebesdrama „The Last Face“ erweist sich als furchtbarer Ethno-Edelkitsch, dessen aufklärerische Absicht sich ins Gegenteil wendet.

    Wir haben „The Last Face“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film im Wettbewerb gezeigt wurde.

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