Die 3D-Dokumentation „Kathedralen der Kultur“ wurde am 09.05.2014 als Beitrag zum Dokumentarfilmfest München gezeigt.
Nach der Vorführung folgte ein moderiertes Gespräch mit dem Produzenten Erwin Schmidt und Prof. Ludger Pfanz, der sich intensiv mit 3D-Gestaltung beschäftigt. Aus dem Inhalt:
Zehn Beiträge verschiedener Regisseure über Gebäude wurden geschaffen. Davon sind sechs Filme mit der Vorgabe aneinandergereiht worden, die Bauwerke mit einer OFF-Stimme sprechen zu lassen. Produzent Schmidt musste überredet werden, den Begriff Kultur so weit zu greifen, dass auch ein Gefängnis und ein Forschungsinstitut ihren Platz fanden. Für Schmidt dienen Gebäude dem Menschen und sind nicht zum Selbstzweck erbaut worden. Eine Kontaktaufnahme mit den Architekten, sofern noch unter den Lebenden, erfolgte für die Filmproduktion nicht.
Prof. Pfanz: Filmvorhaben in 3D sollen schon in der Planungsphase auf diese Darstellungsform abgestimmt werden. Bei den überwiegenden Produktionen werde zu spät entschieden, dass 3D-Format anzuwenden. 3D-Dokumentationen seien schwierig zu finanzieren, da diese Produktionen von der Unterstützung der Fernsehsender abhängen und 3D-TV mit Brille unbeliebt und ohne Brille noch nicht möglich ist.
Gebäude haben Ecken, Fluchten und Gänge, Treppen, Säulen und Fenster. Ideal für 3D, wenn die Kamera mit den zwei Augen richtig steht oder fährt. Während bei den gängigen 3D-Blockbuster-Streifen dem Zuschauer allmögliches Zeug entgegen geschleudert wird, gewähren die ausgesuchten Kathedralen der Kultur einen Blick in die Tiefe. Das ist eine durchweg mehr als gelungene 3D-Performance. Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Verschiedenartigkeit der Anteile am Ganzen. Die ergibt sich aber nicht durch die ungleich konstruierten Gebäude. Vielmehr sind es die Gewichtungen, die in jedem Part erheblich differieren und doch allesamt wenig technisch sind. Es sollte eben keine typische Architektur-Doku mit ihren vielen Zahlen-Details sein.
Vom Äußeren der Staatsbibliothek St. Petersburg bekommt der Zuschauer nur einen huschenden Blick. Auf den edlen Inhalt kam es dem kürzlich verstorbenen Regisseur Michael Glawogger an, das konzentrierte Wissen, welches in Zitaten aus berühmten Werken vorgetragen wird. Die Bücherregale stehen dicht an dicht. Dass diese „irgendwo drin“ stehen, ist Nebensache. Die vielen Gänge und Nebengänge sind wie eine Lieblingsspielwiese für eine 3D-Kamera, die sich mittendrin tummelt, ohne viel Bauwerk zu zeigen, aber gerne und oft die eilige Angestellte mit ihrem auffälligen Hüftschwung verfolgt, um das Hinterlassene mit mehr Elastizität optisch und narrativ zu präsentieren.
Die Berliner Philharmonie von Wim Wenders gibt sich egoistisch, zeigt viel Inneres, güldene Außenhaut und Klangoptimierendes, einen Sir Simon Rattle, der sich wohlfühlt, während die Oper von Oslo die Devote zu sein scheint und sehr viele der Menschen zeigt, die sie gerne betreten und benutzen sollen. Eine Tänzerin wird bei einer ausdrucksstarken Vogeldarstellung gefilmt. Die Aufnahme spricht dafür, nie wieder ein Ballett live anzuschauen, denn von Reihe 15, Platz 27 ohne wechselnde Perspektive kann die Intensität einer solchen Darbietung nicht wahrgenommen werden.
Es lebe das …hm, ein Kino war nicht dabei.
Das Salk-Institute (Robert Redford) gibt mit den Leistungen der Wissenschaftler an und redet sich einen Wolf, weil der graue Symmetrieklotz auch schön sein will. Dazu Musik von Moby und Himmelsbilder mit Wolkenmix im Zeitraffer. Das ist zu viel, genauso wie die Kreuzblenden zu lang sind. Aber wieder ganz anders.
„In mir gibt es strenge Regeln“, sagt das moderne Hochsicherheitsgefängnis Halden in Norwegen. Die Macht der Wände ist deutlich zu spüren. Der Außenbereich mit der ewig langen Mauer, der Monolog sachlich bis einschüchternd, mit der musikalischen Untermalung beindruckend bedrückend. Die starke Inszenierung des dänischen Regisseurs Michael Madsen gibt dem Zuschauer indirekt, dass man den skandinavischen Superknast nicht mögen soll, aber seine Beisteuer zur Kultur-Doku sehr wohl.
Die Idee, zwei gleichartige Gebäude sehr unterschiedlich einzubringen, unterstreicht die Möglichkeiten. So könnte nach dem Beginn mit der Philharmonie die Oper als fünfter Film das gelungene Finale einer guten Dokumentation sein, aber das Centre Pompidou hängt sich noch dran und gibt dem bislang gerne geduldigen Publikum die Aufgabe der Anstrengung.
Glaubt man der Ankündigung des Dokumentarfilmfests München, so sind die Regisseure auf der Suche nach den Seelen der Bauwerke. Dies wird konterkariert, wenn dem Dach überm Kopf ein willkürlich ausgesuchter Text in den Mund gelegt wird. Trotzdem verbindet der außergewöhnliche Ich-Erzähler die sechs Teile zu einer Ode an die Kreativität.