Über kaum eine Zeit der jüngeren Geschichte ist so viel geschrieben, so viel nachgedacht, so viel polemisiert worden wie über die 68er und ihre Folgen: Studentenunruhen, Proteste gegen den Vietnamkrieg und (nicht nur in Deutschland) schließlich das Abdriften einiger weniger in den Terrorismus. Diesem Thema etwas Neues abzugewinnen, einen anderen Blick auf das viel Beschriebene zu werfen ist nicht leicht. Genau dies versucht der Franzose Jean-Gabriel Périot mit seinem Film „Une Jeunesse Allemande - Eine Deutsche Jugend“, der bei der Berlinale 2015 die Reihe Panorama-Dokumente eröffnete. Er greift dabei ausschließlich auf (teilweise bislang unbekanntes) Archivmaterial zurück. Er zeichnet die altbekannte Geschichte der RAF nach, rückt dabei aber vor allem in den Mittelpunkt, was für eine Rolle bewegte Bilder im Zusammenhang mit der RAF spielten. So war Holger Meins vor seinem Gang in den Untergrund ein angehender Filmemacher und natürlich konzentriert sich Périot vor allem auf Ulrike Meinhof, von der es durch ihre vielen TV-Auftritte das meiste Bildmaterial gibt. Dies ist teilweise auch sehr interessant, doch letztlich fehlen ein fokussierter Blick auf die Zeit und eine erkennbare Haltung zu den Ereignissen, die 45 Jahre später immer noch faszinieren und polarisieren.
So umfassend ist das Thema, das Jean-Gabriel Périot in seinem ersten langen Dokumentarfilm beschreibt, dass es kaum möglich ist, auch nur einen Aspekt in nur 90 Minuten annähernd umfassend zu beschreiben. Zumal Périot durch seinen Ansatz einen besonders weiten Bogen spannt, immer wieder Szenen aus Nachrichten oder anderen TV-Sendungen zeigt, die zwar für sich genommen interessant sind, aber weit vom losen roten Faden wegführen. Als der hätte sich Ulrike Meinhof angeboten, von der nicht nur viele, sondern auch interessante Aufnahmen existieren, die schön veranschaulichen, wie aus der linken, gesellschaftlich engagierten Journalisten, eine radikale, menschenverachtende Terroristin wurde. In den Momenten, in denen sich der Regisseur auf diese Figur konzentriert, ist „Une Jeunesse Allemande - Eine Deutsche Jugend“ am dichtesten und zeigt in Ansätzen, wie eine sehr spezielle deutsche Jugend verlaufen konnte. Doch allzu oft verliert sich Périot in den vielfältigen Strängen seines Themas, dass er nicht in eine stimmige Form zu bringen versteht.
Fazit: Mit seiner ausschließlich aus Archivmaterial zusammengesetzten Dokumentation „Une Jeunesse Allemande - Eine Deutsche Jugend“ gelingt es dem französischen Regisseur Jean-Gabriel Périot nur in Ansätzen, aus dem vielfältigen und oft faszinierenden Material einen runden Film zu formen.