Die Slowakei ist ein vergleichsweise junger Staat, der noch kaum eine eigenständige filmische Tradition vorzuweisen hat, die sich entscheidend von der tschechoslowakischen Filmproduktion unterscheiden würde. Der bislang wohl bekannteste Film des Landes ist „Der Garten“ aus dem Jahr 1995 von Martin Šulík, der eine bewusst anti-realistische Darstellung wählte - tief im Brauchtum und der Philosophie verwurzelt. Mira Fornay dagegen wählt für „My Dog Killer“ einen harschen, wortkargen Realismus, der das Drama zu einem bisweilen fordernden, aber auch faszinierenden Filmerlebnis macht.
Der 18-jährige Marek (Adam Mihál) lebt mit seinem Vater auf dem familieneigenen Weingut. Wenn er nicht gerade Reifen verbrennt, um die Reben warm zu halten, oder mit seinen Kumpels – einer Skinhead-Gang aus der nahe gelegenen Stadt – beim Kampfsporttraining oder auf Feten abhängt, dann trainiert er seinen treuesten Freund: den Kampfhund „Killer“. An einem folgenschweren Tag ist allerdings eine besondere Angelegenheit zu erledigen: Der Vater schickt Marek zu einem Botengang zur verhassten Mutter (Irena Bendová), von der er eine dringende Unterschrift benötigt. Für Marek wird es eine Reise in eine Parallelwelt, die er sein ganzes Leben bekämpft hat.
Ganz nah ist die Kamera an Marek, begleitet ihn bei seinen Wegen, zeigt in langen Fahrten ein karges, bleiches Land. Hier regiert die Armut. Dass man vom Weinanbau in dieser Gegend mehr schlecht als recht leben kann, ist leicht vorstellbar. Und dennoch: Wirklich hässlich wirkt das Land nicht, eher wie die typische Geographie eines Staats im Übergang, in dem die Verlierer des politischen Umbruchs den Gewinnern in den neu entstandenen Einkaufszentren die Füße eincremen.
Foray nimmt sich Zeit, diese Landschaften zu erschließen, und sie wartet lange damit, bis sie anfängt, die zweite, die eigentliche Geschichte ihres Films zu beginnen: In dieser wird vom allgegenwärtigen, brutalen Alltagsrassismus erzählt. Mareks Mutter ist mit einem Roma durchgebrannt und hat kurz darauf den kleinen Lukas, Mareks Halbbruder, zur Welt gebracht. Nicht nur im Weltbild eines jungen Skinheads, sondern auch in den Köpfen der Mittelschicht eine kaum vorstellbare Schande.
Ganz langsam, ohne betonte Dramatik, gänzlich ohne Musikeinsatz, entwickelt sich die Geschichte hin zu einer Katastrophe, an der Marek – wie an so vielem – weder ganz schuldig noch ganz unschuldig ist. Mira Fornay ist nicht am Spektakulären interessiert, handlungstreibende Elemente belässt sie oft außerhalb des Bildes. Lange ist in Mareks Gesicht mit seinen stechenden, wässrigen Augen, das ohnehin meist nur im Profil zu sehen ist, kaum etwas anderes zu erkennen als Gleichgültigkeit, Genervtheit und Langeweile. Das Distanzierte, scheinbar Unemotionale, das nicht nur die Inszenierung, sondern auch die Hauptfigur prägt, wird als entsetzliche Lähmung spürbar, die nicht nur Marek, sondern das ganze Land beherrscht.
Fazit: In ihrem zweiten Spielfilm „My Dog Killer“ erforscht Mira Fornay in langen Einstellungen die Seelenlandschaften einer Slowakei im Umbruch. Die distanzierte Inszenierung erfordert Aufmerksamkeit, zeigt aber gerade durch diesen nüchternen Stil in schockierender Weise den Alltagsrassismus in einem Land im Herzen Europas.