„Wohin du auch gehst, gehe mit ganzem Herzen.“ – Diese Weisheit des vielzitierten chinesischen Philosophen Konfuzius trifft auf die titelgebende Protagonistin Hanna (Karoline Schuch) im romantischen Reisedrama „Hannas Reise“ nur sehr bedingt zu. Die ehrgeizige Studentin tritt ihren Trip in den Nahen Osten nämlich nicht aus Lust am Abenteuer oder zur Vertiefung ihrer historischen Grundkenntnisse an, sondern allein aus dem Grund, weil sie ihren Lebenslauf mit sozialem Engagement in einer jüdischen Behinderteneinrichtung aufpeppen möchte. „Hannas Reise“ ist aber keiner dieser humorvollen Culture-Clash-Filme, bei denen die egozentrische Hauptfigur ihre neue Umgebung nach anfänglichen Schwierigkeiten schätzen lernt und dabei fleißig Vorurteile abbaut: Julia von Heinz („Hanni & Nanni 2“), die das Drehbuch zum Film gemeinsam mit John Quester schrieb und Motive von Theresa Bäuerleins Roman „Das war der gute Teil des Tages“ adaptierte, kombiniert eine klassische Dreiecksgeschichte mit der von Schuldkomplexen geprägten Aufarbeitung der deutsch-jüdischen Vergangenheit und einigen humorvollen Zwischentönen. Dabei heraus kommt ein kurzweilig beginnender, am Ende aber überfrachteter Film, in dem vieles Stückwerk bleibt.
Kurz vor einem Bewerbungsgespräch erhält Hanna (Karoline Schuch) von einer gescheiterten Job-Konkurrentin auf der Damentoilette den entscheidenden Tipp, um die Personalverantwortlichen zu beeindrucken: Soziales Engagement im Ausland sei der Schlüssel zum Erfolg. Also wagt Hanna einen Bluff: Sie gibt vor, in Kürze freiwilligen Dienst in einem israelischen Behindertendorf leisten zu wollen – wohl wissend, dass ihre für die Berliner „Aktion Friedensdienste“ arbeitende Mutter Uta (Suzanne von Borsody) ihr zur Not ein entsprechendes Zeugnis fälschen könnte. Doch Uta verweigert ihr den eingeforderten Schrieb. Der BWL-Studentin bleibt nichts anderes übrig, als nach Israel zu fliegen und den Dienst in der Einrichtung anzutreten. Vor Ort quartiert sie sich in der deutschen Wohngemeinschaft von Carsten (Max Mauff) und der linksextremen Maja (Lore Richter) ein. Tagsüber arbeitet sie mit dem israelischen Behindertenbetreuer Itay (Doron Amit), der Hanna mit zynischen Kommentaren zum Holocaust provoziert, ihr aber zugleich schöne Augen macht. Anfangs verweist Hanna auf ihren Freund Alex (Trystan Pütter), der daheim in Berlin die neue gemeinsame Wohnung einrichtet, doch schon bald empfindet sie mehr für ihren Kollegen...
„Was mit Juden kommt halt immer gut. Und behinderte Juden zählen gleich doppelt!“ – Hannas bitterböse Political Incorrectness der Anfangsminuten und die köstlich überzeichnete Bewerbungssituation bilden die stärkste Passage des Films, dem Biss und Humor in der Folge leider zunehmend verloren gehen. Itays Provokationen und die zugemüllte Chaos-WG, in der der neuen Mitbewohnerin nicht einmal eine eigene Zimmertür vergönnt ist, laden zwar immer wieder zum Schmunzeln ein, doch spätestens mit dem nächtlichen Ausflug von Hanna und Itay, der mitten im israelischen Karnevalstrubel ein unerwartetes Ende findet, verliert Julia von Heinz („Was am Ende zählt“) den interessantesten Aspekt ihres Films aus den Augen. Hannas unfreiwilliger Einsatz in der Behinderteneinrichtung gerät immer stärker zur Randnotiz, weil die langatmige Romanze mit Itay kaum Überraschungen birgt und viel zu viel Raum einnimmt. Warum Hanna, die täglich mit ihrem in Deutschland verbliebenen Freund Alex über das Internet telefoniert und trotz der räumlichen Distanz noch glücklich in dieser Beziehung zu sein scheint, ihren jüdischen Kollegen zu einem One-Night-Stand ins Taxi bittet, will sich nie wirklich erschließen – da können Karoline Schuch („Drei Zimmer/Küche/Bad“) und Newcomer Doron Amit die Drehbuchvorgaben noch so beherzt umsetzen. Es funkt einfach nicht zwischen den beiden.
Zu romantischen Gitarrenklängen und Asaf Avidans langsam aber sicher totgenudeltem Ohrwurm „Reckoning Song“ plätschert die Geschichte vor sich hin und thematisiert die politischen Unruhen im Land dabei nur indirekt: Einzig bei einer nächtlichen Grenzkontrolle, bei der Hanna und Itay die verhaftete Maja vor der Abschiebung bewahren, wird greifbar, welchen alltäglichen Gefahren Hanna während ihres Aufenthalts im Nahen Osten ausgesetzt ist. Ansonsten wird zwar viel über das heutige Israel diskutiert, bei Kaffee und Kuchen mit Zeitzeugen gesprochen und in der Vergangenheit von Hannas Mutter gegraben, doch es passiert dabei wenig. Auch die von Hanna betreuten Menschen mit geistiger Behinderung bringen selten Dynamik ins Geschehen, weil die Drehbuchautoren die verschiedenen Figuren auf ein einziges Erkennungsmerkmal reduzieren, statt sich ernsthaft mit ihrem Wesen auseinanderzusetzen. Ein desillusionierter Modern Talking-Fan, der von Hanna über die Trennung aufgeklärt wird, ein aufgeweckter Spaßvogel, den Hanna nach einem Joint am Strand mit einem Bollerwagen heimfahren muss, und eine einsilbige Eigenbrötlerin, der Hanna vergeblich das Lesen eines Ziffernblatts beizubringen versucht: Einzig mit Letzterer beschäftigt sich Hanna etwas näher, so dass auch die feierliche Abschiedsrede in der Behinderteneinrichtung ohne den erhofften rührenden Moment verpufft.
Fazit: „Hannas Reise“ verliert nach einem humorvollen Auftakt zunehmend an Schwung. Julia von Heinz konzentriert sich zu sehr auf eine abgegriffene Liebesgeschichte und vermag die guten Ansätze ihres Films nicht zu einem stimmigen Gesamtwerk zusammenzufügen.