Wim Wenders zeigt sich mit dem Drama „Every Thing Will Be Fine“ auf der 3D-Spielwiese.
Schriftsteller Thomas (James Franco) tötet den kleinen Jungen Nicholas bei einem Autounfall und ist daraufhin psychisch schwer angeschlagen, so auch Kate (Charlotte Gainsbourg), die alleinerziehende Mutter von Nicholas und Christopher. Die Beziehung zwischen Thomas und Sara (Rachel McAdams) zerbricht. Mit Problemen behaftet, geht der Weg des Autors wieder aufwärts.
Wim Wenders möchte genauer hinsehen. Eine 3D-Kamera könne das, behauptet der Regisseur im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Glaubt man der Actionfilm-Industrie, so ist 3D ein Instrument, um den Kinozuschauer mit irgendetwas zu bewerfen und vor seiner Nase herumzufuchteln. Wim Wenders wendet die stereoskopische Sicht auf seine Weise an. Nicht zum ersten Mal, denn die Tanzfilm-Doku „Pina“ und die Gebäude-Doku „Kathedralen der Kultur“ gehören zu seinen erfolgreichen 3D-Projekten. Mit den gewählten Perspektiven zieht Wim Wenders sein Publikum in die Bilder von „Every Thing Will Be Fine“, die für 3D ohne Effekthascherei konstruiert wurden. Auf Thomas‘ Weg vom Unfallort zum Haus von Kate - das sind ca. 100 m - wird ein herrlich kontinuierlicher Erzählrhythmus festgelegt. Cutter Toni Froschhammer und Wim Wenders hatten schon für die beiden anderen 3D-Projekte zueinander gefunden. Der Zuschauer erfährt den Fortlauf der Lebensgeschichten von Thomas, Kate und Christopher, die sich in zwölf Jahren mehrmals kreuzen werden. Die Entwicklung von Charakteren und Plot bringt phasenweise Beklemmung bis zum Thrill hervor, ohne Taschenspielertricks, ohne das Tempo zu wechseln. Dazwischen ist das Werk gespickt mit gefühlvollem Miteinander ohne Schnulzerei. Das baut die Trauernden auf, das fasziniert den Beobachter, das ist ganz großes Kino eines erfahrenen Regisseurs. Unterstützung erhält dieser von Komponist Alexandre Desplat. Der Franzose beherrscht wie kein anderer, Tempo und Klänge passend mit den Szenen zu verbinden (Oscar 2015 für „Grand Budapest Hotel“ und nominiert für „The Imitation Game“ im selben Jahr), während andere Größen wie Hans Zimmer mit wuchtigen Klängen die Macht des Films an sich zu reißen scheinen.
Die Zeitsprünge in der Geschichte sind geeignet gesetzt, jedoch dürften es mehr sein, um einfach weitere dieser Szenen genießen zu können. Der Fokus bleibt bei dem Schriftsteller und richtet sich insbesondere auf den ohne Vater heranwachsenden Christopher (Jack Fulton, Philippe Vanasse-Paquet, Robert Naylor), dessen Verhalten gegenüber Thomas undurchsichtig und pubertär zwischen Bedrohung und Verehrung schwankt. Dann ist da noch Ann (Marie Josée-Croze), die Thomas kennen und lieben lernt. Ihre junge Tochter Mina (Lilah Fitzgerald, Julia Sarah Stone) entwickelt sich zum Teenager und auch zum Bewunderer ihres Stiefvaters.
Und der Wunschtraum der Hollywood-Stars tritt ein: Die Erwachsenen der Handlung werden nach zwölf Jahren Erzählzeit optisch nicht älter. So richtig nah rückt das Doppelauge den Schauspielern ohnehin nicht auf die Pelle. Vielleicht hat dem Regisseur 3D aus mehr Entfernung gereicht. Die herausragende Präsenz von James Franco und Charlotte Gainsbourg nimmt daran keinen Schaden, sodass das Kameraspiel ausgewogen erscheint. Und auch Robert Naylor spielt einen bemerkenswerten Part.
„Every Thing Will Be Fine“ ist ein wunderbar gespieltes und getaktetes Drama mit meisterlicher musikalischer Begleitung.