Marketinganalysen sind ja eigentlich nicht unser Spezialgebiet, aber das Dilemma des Crowdfunding-Projekts „Zero Charisma“ liegt einfach auf der Hand: Im Zentrum des Films steht nicht nur ein Pen-&-Paper-Rollenspieler und Heavy-Metal-Fan, auch das Poster ist eindeutig auf diese beiden Zielgruppen zugeschnitten. Aber hat man sich dann etwa als begeisterter „Schwarzes Auge“-Spieler „Zero Charisma“ besorgt, um endlich mal die eigene Nischenkultur angemessen in einem Film dargestellt zu sehen, muss man leider recht schnell feststellen, dass die Regisseure Katie Grahams und Andrew Matthews ihr angepeiltes Publikum offensichtlich zutiefst verachten: Protagonist Scott (Sam Eidson) beginnt als bemitleidenswerter, noch bei seiner Oma lebender Loser-Soziopath, der als Gamemaster für seine Kumpels ein von ihm selbst entwickeltes Rollenspiel leitet – und er endet als noch viel bemitleidenswerterer Ober-Loser, dem statt seiner Freunde nur noch ein paar senile Senioren aus dem Altersheim als Mitspieler geblieben sind. Da gibt sich der gerade noch so hoffnungsfrohe Rollenspielfan vor dem Fernseher doch am besten gleich selbst die Kugel.
Dabei klingt die Grundidee wirklich vielversprechend: Seit mehr als drei Jahren entwirft Scott für seine Freunde nun schon ein durchgängiges Rollenspiel-Abenteuer, als einer der Mitspieler ohne Vorwarnung aussteigt. Ein Ersatz ist mit Miles (Garrett Graham) zwar schnell gefunden, allerdings bringt der coole Hipster (der sogar eine reale Freundin hat) das Gleichgewicht der Truppe gehörig durcheinander… Zwischendurch deutet sich durchaus an, was „Zero Charisma“ hätte sein können – nämlich ein psychologisches Thriller-Drama, bei dem sich die verschobenen Machtverhältnisse in der Fantasy-Welt nach und nach mit fatalen Folgen auch auf die reale Welt auswirken. Aber Miles‘ Einwirkung auf das Spiel wird mit einem einzigen kurzen Beispiel derart schnell und oberflächlich abgehakt, dass das alles offenbar doch nur dazu dient, um Scott noch tiefer abstürzen zu lassen. Zudem wird der Rollenspiel-Part zunehmend von dem Drama um Scotts dysfunktionales Verhältnis zu seiner Mutter (Cyndi Williams) verdrängt. Aber das ist dann auch alles nur klischeetriefendes Familiendrama aus dem Malen-nach-Zahlen-Set für angehende Indie-Regisseure.
Fazit: Mit dem soziopathischen Rollenspieler Scott haben sich Katie Graham und Andrew Matthews ein einfaches Ziel ausgesucht, um ihn 86 Minuten lang niederzumachen. Wäre „Zero Charisma“ eine Schulhofprügelei, würden wir den Regisseuren empfehlen, sich doch bitte einen gleich starken Kontrahenten zu suchen. Aber dafür bietet der Film zumindest die ultimative Lösung auf die seit langem durchs Netz geisternde Geek-Frage: „Wer ist eigentlich schneller – die Enterprise oder der Millennium Falke?“