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    Watermark
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Watermark
    Von Gregor Torinus

    Im Mittelpunkt des vor allem visuell faszinierenden kanadischen Dokumentarfilms „Watermark“ steht die globale Bedeutung des Elements Wasser. Regisseurin Jennifer Baichwal, Fotograf Edward Burtynsky und Kameramann Nicholas de Pencier, die schon bei dem 2006 entstandenen Dokumentarfilm „Manufactured Landscapes“ zusammenarbeiteten, lassen auch bei ihrem neuen Gemeinschaftsprojekt meist nicht Menschen, sondern Bilder sprechen. Besonders beeindruckend sind dabei die aus der Luft aufgenommenen gewaltigen Landschaftspanoramen, in denen natürliche oder von Menschen geschaffene Geländestrukturen zu gewaltigen Ornamenten abstrahiert erscheinen. Die Macher verzichten dabei auf eine systematische Annährung an ihr Thema und zeigen stattdessen eine lose Assoziationskette von Bedeutungsfeldern, die jeder Zuschauer auf eigene Weise zu einem Gesamtbild verknüpfen kann.

    In „Watermark“ werden 20 verschiedene Orte auf der ganzen Welt gezeigt, an denen die Bedeutung des Wassers auf unterschiedliche Weise deutlich wird. 70 Prozent des globalen Wasserverbrauchs gehen in die Landwirtschaft, durch die die Gestalt des Globus umfassender als durch jede andere menschliche Tätigkeit verändert wurde. Gezeigt werden gewaltige künstlich bewässerte Flächen, wie das Imperial Valley in Kalifornien oder die bereits Jahrtausende alten terrassenförmigen Reisfelder in den Bergen der chinesischen Provinz Yunnan. Doch Wasser dient auch der Freizeitgestaltung, wie bei der jährlichen amerikanischen Surfmeisterschaft in Huntington Beach. In Indien dient Wasser sogar der Reinigung der Seele, wenn alle 12 Jahre über 30 Millionen Gläubige gemeinsam im Ganges baden. Wasser ist außerdem eine wichtige Energiequelle: In China wurde gerade der gigantische Xiluodu-Staudamm fertig gestellt, der 10,4 Millionen Tonnen Wasser fassen und 13,86 Millionen Kilowatt Strom erzeugen kann. Doch wo derart massiv in die Natur eingegriffen wird, bleiben gleichfalls massive Schäden nicht aus. Eine alte Indio-Frau in Mexiko erzählt, wie sie früher vom Fischfang aus dem Colorado leben konnte. Heute ist das Fluss-Delta derart ausgetrocknet, tiefe Risse zerfurchen den Boden, da enorme Mengen an Wasser aus dem Fluss abgeleitet werden, um z.B. die 11.608 Quadratkilometer an künstlichem Farmland im Imperial Valley zu bewässern.

    Wer einen didaktisch aufgebauten Naturfilm erwartet, der ähnlich einer Doppelstunde Biologie oder Geografie ein fest umrissenes Thema vermittelt, der ist bei „Watermark“ schlecht bedient. Die Autoren bauen keine lineare Argumentation auf, sondern nähern sich ihrem Thema auf assoziative und emotionale Weise und entfalten ein komplexes Mosaik, das viele Freiräume für eigene Gedanken und Verknüpfungen lässt. Dabei sind viele Bilder und Impressionen ambivalent:  An einer Stelle zoomt die Kamera von einer Poolszene immer weiter zurück, bis zuerst die zum Pool gehörige Villa, dann das direkt neben dem Pool befindliche Gewässer und schließlich das Grundstück als eine kleine Einheit innerhalb schier unendlich vieler gleichartiger Zellen des künstlich angelegten Wohnviertels Discovery Bay in Kalifornien sichtbar wird. Diese Einstellung zeigt einerseits wie artifiziell diese Anlage ist, wirkt jedoch zugleich fast wie ein abstraktes Kunstwerk. Gerade diese mit hochauflösender Kamera gedrehten Luftaufnahmen sind von großer ästhetischer Kraft: Ein Flussbett in den Bergen wirkt mit seinen feinen Verästelungen da wie eine alte chinesische Tuschezeichnung. Die gewaltigen quadratischen Landschaftsparzellen mit kreisförmiger Bepflanzung, die bis zum Horizont reichen, scheinen hingegen einem Science-Fiction-Film entsprungen zu sein.

    Die beeindruckenden Bilder werden durch die Soundkulisse zusätzlich verstärkt. Spätestens hier offenbart sich die Verwandtschaft zu Experimental-Dokumentationen wie „Koyaanisqatsi” oder „Baraka“, deren Macher ebenfalls eine globale Vision des Miteinanders und Gegeneinanders von Mensch und Natur entwerfen, ohne dabei am Ende zu einer klaren Aussage kommen zu wollen. Im Gegensatz zu diesen tatsächlich rein assoziativen Bildercollagen, sind in „Watermark“ dagegen immer wieder einzelne Interviewschnipsel eingestreut. Diese unterstreichen jedoch zumeist nur die Aussagen, die bereits durch die Bilder an sich getroffen werden, eine wirkliche inhaltliche Vertiefung findet nicht statt. Meistens funktioniert dies trotzdem erstaunlich gut. Nur eine überflüssige Szene, die Edward Burtynsky zusammen mit seinem deutschen Verleger Gerhard Seidl bei der Arbeit an seinem Bildband „Water“ zeigt, wirkt bei diesem inhaltlichen Minimalismus fehlplatziert, scheint sie doch eher der Bewerbung des inoffiziellen Begleitbuchs zu dienen.

    Sehr interessant, teilweise auch vor allem für ein cinephiles Publikum, sind zudem viele Details, die man auch mal nur so nebenbei erfährt. In einer Episode schildert eine alte Dame, wie ihre Familie Anfang des 20. Jahrhunderts gewaltsam aus ihrem Haus im Owens Valley in Kalifornien vertrieben wurde, um dem Bau des Los-Angeles-Aquädukts Platz zu machen. Diese Ereignisse bildeten den Hintergrund für Roman Polanskis Neo-Noir-Klassiker „Chinatown“ mit Jack Nicholson. Nach dem für das Projekt verantwortlichen Ingenieur William Mulholland wurde wiederum eine berühmte kurvenreiche Straße mit teilweise fantastischem Ausblick auf Los Angeles benannt: der Mulholland Drive, der in David Lynchs gleichnamigen Film verewigt wurde. Weniger bekannt ist hingegen die Tatsache, dass der Owens Lake bereits 15 Jahre nach der Erbauung des besagten Aquädukts durch die massive Wasserableitung nach Los Angeles völlig ausgetrocknet war. Aber nicht nur das: Heute ist der ausgetrocknete See die größte Quelle für Staubverschmutzung in den gesamten USA. Da dieser Staub zudem stark toxisch ist werden heute Millionen Liter Wasser auf den Boden des Sees gepumpt, um den Staub zu Schlamm zu binden und somit weitere hochgiftige Staubstürme zu vermeiden...

    Fazit: „Watermark“ ist eine bildgewaltige Dokumentation zum Thema Wasser. Die Macher wollen die Zuschauer nicht belehren, sondern mit eindrucksvollen, assoziativ montierten Bildern zum Nachdenken anregen. Und das gelingt ihnen.

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