Kann man sich das vorstellen: Tulpen als Spekulationsobjekt wie Gold, teure Gemälde oder Rohöl? Man kann es sich vorstellen, wenn man diesen betörend schön inszenierten Film gesehen hat, in dem eine Tulpenspekulationsblase im Amsterdam des 17. Jahrhunderts den historischen Hintergrund für eine klassische Dreiecksgeschichte bildet, auf den Höhepunkt getrieben durch ein Täuschungsmanöver, wie es Komödienstoffen aus der Zeit, in der die Handlung spielt, entstammen könnte. Denn der irrwitzige Betrugsversuch, mit dem die von Alicia Vikander (»The Danish Girl«) verkörperte Ehebrecherin sich das Glück mit ihrem Geliebten zu ergaunern sucht, könnte auch von Shakespeare oder Molière ersonnen worden sein.
Aber der Reihe nach: Alicia Vikander spielt die bildschöne Vollwaise Sophia, die von einem reichen Gönner, dem Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (wieder ein grandioser Auftritt von Christoph Waltz), aus der Klosterarmut herausgeheiratet wird. Als der ersehnte Stammhalter ausbleibt, kommt Sandvoort auf die Idee, sein familiäres Glück auf andere Weise zu verewigen: durch den Porträtmaler Jan van Loos. Der ist jung und schön wie Sophia selbst und so geschieht, was geschehen muss: Die beiden verlieben sich. Damit bevölkern das mondäne Heim des Gewürzhändlers bereits zwei Liebespaare. Denn auch Sandvoorts Magd Maria hat einen Geliebten. Als dieser sie schwängert und wegen eines Missverständnisses verlässt, reift in den beiden Frauenzimmern eine perfide List: Sophia täuscht eine Schwangerschaft vor, um nach Marias Niederkunft das uneheliche Kind der Magd als das ihre auszugeben, danach ihren Tod zu simulieren und auf diese Weise aus der Ehe mit Cornelis zu entfliehen, ohne diesen zu verletzen. Maria würde sich nach dem vermeintlichen Tod ihrer Herrin des Kindes annehmen, das sowieso ihres ist, und durch Sandvoorts Wohlstand hätte es eine blühende Zukunft – eine klassische Gewinner-Gewinner-Situation. Aber kann so ein gewagtes Doppelspiel wirklich gutgehen? Statt einer Antwort nur so viel: Der Film hat komödiantische Elemente, aber er ist keine Komödie.
Zusammenfassung: »Tulpenfieber« ist ein betörend schön inszeniertes historisches Liebesmelodram, dessen Bildästhetik zwischen Tom Tykwers Süskind-Verfilmung »Das Parfüm« und der Vermeer-Hommage »Das Mädchen mit dem Perlohrring« pendelt und in der Auflösung der dramatischen Verwicklungen wie »Geliebte Jane« auf Wahrscheinlichkeit statt auf Kitsch setzt. Das Ergebnis ist ein großartiger, in jeder Hinsicht sehenswerter Höhepunkt des Kinosommers – 4,5 von 5 Sternen!
(Eine Kritik des film-o-meter-Teams)