Eines muss man Matthias Schweighöfer lassen: Er probiert durchaus immer wieder etwas Neues. Nachdem er sich in seinen ersten Regiearbeiten „What a Man“, „Schlussmacher“ und „Vaterfreuden“ selbst noch die Rolle des Sympathieträgers in diversen Varianten auf den Leib schrieb und mit seinem persönlichen Charme viele Schwächen dieser romantischen Komödien überspielte, verkörpert der mittlerweile 34-jährige Sonnyboy in seinem aktuellen Lustspiel „Der Nanny“ schlicht und einfach ein fieses Arschloch. Der derbe Ausdruck ist mit Bedacht gewählt, denn der unverblümt-ruppige Umgangston ist eines der auffälligsten Kennzeichen von Schweighöfers Kotzbrocken-Komödie. Von Romantik ist keine Spur mehr zu finden, eine Balance zwischen Humor und Herz, Gags und Gefühl gibt es in „Der Nanny“ kaum noch, womit Schweighöfer sich weder als Filmemacher noch als Schauspieler einen Gefallen tut. In der einseitigen Konzentration auf rüpeliges Verhalten, rüde Witze unter der Gürtellinie, extreme Kontraste und ausufernde Zerstörungslust hat der brachiale 110-Minüter abseits von allen Geschmacksfragen etwas Ermüdendes.
Der verwitwete Immobilienhai Clemens Klina (Matthias Schweighöfer) lebt nur noch für die Arbeit und vernachlässigt seine beiden Kinder. Winnie (Paula Hartmann) und Theo (Arved Friese) rächen sich, indem sie eine Nanny nach der anderen rabiat vergraulen. Der Job wird gerade mal wieder frei, als Clemens und sein Firmenpartner August (Joko Winterscheidt) kurz vor einem Millionengeschäft stehen. Es fehlt nur die endgültige Zusage der Investorin Helen Nielsen (Andrea Osvart) - und außerdem müssen die renitenten Altbewohner des Berliner Kiezes, wo das Projekt gebaut werden soll, aus ihren Wohnungen entfernt werden. Zu denen gehört Rolf Horst (Milan Peschel), der erbitterten Widerstand gegen die Räumung leistet und Clemens persönlich zur Rede stellen will. Als der Protestler vor der Tür von Klinas Schloss im Brandenburgischen steht, hält der Hausherr ihn für einen Bewerber um die vakante Nanny-Position und stellt ihn kurzerhand ein. Der verdutzte Rolf sagt ja, ohne seine Identität preiszugeben – über die Kinder will er an den Menschen Clemens herankommen und ihn von seinem Bauvorhaben abbringen…
Der garstige Erzählton ist in „Der Nanny“ schnell etabliert und er wird fast bis zum Schluss durchgehalten. Das Gefälle zwischen den schnöseligen Geschäftemachern mit ihren Slickback-Frisuren, den Protzbüros, den Helikoptern und Ferraris sowie den abgerissenen Typen in der heruntergekommenen Eckkneipe, die sich um ihren Kiez sorgen, könnte nicht größer sein. Wer aber jetzt womöglich sozialkritische (oder auch nur realitätsbewusste) Untertöne zu Themen wie Gentrifizierung oder der Schere zwischen Arm und Reich erhofft, befindet sich im falschen Film, das zeigt schon das wieder einmal hemmungslose Product Placement (man achte auf die naturperligen Bierflaschen). Hier geht es einzig darum, das Schlachtfeld für das Kommende zu bereiten. Und das wird flugs auf die Familie ausgeweitet, wenn wir Zeuge werden, wie die Nanny Ilona (Veronica Ferres mit schrecklicher Perücke und aufgeschminktem Warzengesicht) von dem frühpubertären Satansbraten Winnie abgekanzelt wird („Dich will doch eh keiner bumsen“). Der Teenager schmeißt mit Kraftausdrücken und Beleidigungen förmlich um sich, aber es entsteht hier keine in sich glaubhafte Ausdrucksweise wie etwa bei der Schülersprache in „Fack ju Göhte“, sondern es wird nur gleichsam der Häme-Regler voll aufgedreht, um den Schenkelklopffaktor zu erhöhen.
Die ständigen Übertreibungen betreffen alle Bereiche des vermeintlich Ungehörigen: von Genitalbereich und Verdauungstrakt bis zum Handgemenge und zur Sachbeschädigung. Und so bürokratisch sich diese Umschreibung anhört, so altbacken ist letztlich auch der Film. Denn wenn die Grenzüberschreitung zum Erzählprinzip wird, dann verliert sie schnell jedes Provokationspotenzial. Während es beispielsweise noch recht amüsant ist, wie Clemens‘ Ferrari genüsslich geschrottet wird (die Edelkarosse stürzt von oben auf die Terrasse, durchbricht dort das Mäuerchen und schaukelt noch ein wenig über dem Abgrund, ehe sie kopfüber in den Koikarpfen-Teich stürzt), wirkt die spätere Amokfahrt in der Geländewagen-Familienkutsche (Achtung: Kind am Steuer) einfach nur überdreht. Aber kompetent gefilmt ist auch sie: Zumindest was die technische Seite des Handwerks angeht, erreichen Schweighöfer und sein bewährter Co-Regisseur Torsten Künstler, die indes auch diesmal nicht auf die warmen Filterfarben und den Dudelpop verzichten, ein beachtliches Niveau. Am eindrucksvollsten ist in dieser Hinsicht das surreale Geschäftsessen von Clemens mit der Investorin Nielsen in einem koreanischen Restaurant. Das Meeting wächst sich unter dem unbewussten Einfluss von K.o.-Tropfen zur psychedelischen Orgie mit Krustentieren aus – und ein Tintenfisch wird zum heimlichen Hauptdarsteller. Hier holt Schweighöfer aus einer abgeschmackten Idee zumindest visuell einiges heraus.
Streitigkeiten werden mit Fäusten, Sprengstoff oder Drogen im Cappuccino ausgetragen, selbst der Sex ist ein bewusstloses Gerangel zur bloßen Triebabfuhr – mit etwas mehr zielgerichtetem Biss hätte „Der Nanny“ eine bitterböse menschenfeindliche Satire werden können, aber Schweighöfer verzichtet natürlich nicht auf die Wendung ins Gute. Die allerdings fällt selten so wenig überzeugend aus wie hier. Wenn der skrupellose Baulöwe Clemens sich schließlich doch für die Familie und gegen das Geld entscheidet, dann kommt seine Einsicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel und das folgende versöhnliche Finale könnte kein Schauspieler der Welt zu etwas anderem machen als der Pflichtübung, die es ist. Aber auch dem bemühten Milan Peschel („Halt auf freier Strecke“), der hier als Nanny von vornherein die gute Seele verkörpern soll, gelingt es kaum einmal, den Funken eines positiven Gefühls zu entfachen - dafür wirken die entsprechenden Szenen (etwa wenn Rolf im Wortsinne untertaucht, um Vater und Kinder zur Gemeinsamkeit zu zwingen) viel zu kalkuliert und künstlich. So dominieren hier nur Spott, Schadenfreude und stumpfe Stereotype - exemplarisch zu bestaunen bei den Auftritten von Ilka Bessin („Cindy aus Marzahn“) als asoziale Mutter und von Joko Winterscheidt als aalglatter Geschäftsmann.
Fazit: Überraschend kratzbürstige Komödie mit einer Überdosis Brachialhumor.