In seiner poetisch-entschleunigten Tragikomödie „Workers“ zeichnet Regisseur José Luis Valle ein Bild der Arbeiterklasse Mexikos, die zwischen drohender Altersarmut, dem luxuriösem Trübsal ihrer Arbeitgeber, Dienstbeflissenheit und stiller Revolte gegen die Ungerechtigkeit vor sich hin lebt. In langen Kameraeinstellungen und mit zurückhaltend-skurillem Humor fängt er den Alltag der Arbeiterschaft ein und beweist ein besonderes Gespür für die unmerklichen Veränderungen der kleinen Rädchen im großen Wirtschaftsgetriebe.
Seit genau 30 Jahren ist Rafael (Jesús Padilla) als Reinigungskraft in einer Glühbirnenfirma tätig. Endlich wähnt sich der schweigsame Mann am Ende seines Arbeitslebens und sieht seinem wohlverdienten Ruhestand entgegen. Doch trotz blendendem Arbeitszeugnis macht der Vorgesetze seiner extrem pflichtbewussten Arbeitskraft einen Strich durch die Rechnung: Der aus El Salvador stammende Rafael habe keinerlei Rentenanspruch, da er sich illegal in Mexiko aufhält. Gnädigerweise darf er aber weiter seiner Arbeit nachgehen. Und so tritt Rafael am nächsten Tag wie immer seinen Dienst bei an, allerdings nur scheinbar unverändert… Rafaels frühere Ehefrau Lidia (Susana Salazar) arbeitet ebenfalls bereits seit drei Jahrzehnten: Sie ist eine von sieben Hausangestellten im mondänen Anwesen einer reichen Mexikanerin, der sie zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Diensten sein muss. Besonders das Wohlergehen der Windhündin Princessa liegt ihrer gebrechlichen Herrin am Herzen. Als die alte Dame schließlich stirbt, vermacht sie der Hündin ihren ganzen Besitz. Im Falle eines natürlichen Ablebens von Princessa soll jedoch der gesamte Besitz an die Angestellten übergehen, die nun vorerst für eine Hündin arbeiten müssen.
Mit einem Blick auf die scheinbar grenzenlose Weite des Meeres eröffnet Regisseur José Luis Valle sein Spielfilmdebüt „Workers“. Langsam kommt ein Zaun ins Bild, der den Strand schroff durchzieht, schließlich eine Frau mit ihrem kleinem Sohn, die von einem nicht auszumachenden Unbekannten durch die Balken hindurch einen Kaffee gereicht bekommt. Am Ende seines Films wird Valle auf die andere Seite des Zauns springen und die Situation auflösen. Zumindest im Ansatz, denn sein ganzer Film bleibt ausgesprochen subtil, manchmal auch rätselhaft. Der Regisseur nimmt sich viel Zeit für kleine Gesten, um hinter der Fassade der Angestellten, eine behutsame Rebellion zu offenbaren.
Rafael führt sein Leben mit derselben emotionslosen Gleichgültigkeit mit der er in monotoner Perfektion die Räume der Fabrik säubert. Auch Lidia scheint in den Jahrzehnten des unterwürfigen Dienens und unentwegtem zur Verfügung Stehens jedwede Ungeduld aber auch jeder Individualität verloren zu haben. Jesús Padilla („Between“) und Susana Salazar („The Boys From Guerrero City“) verkörpern die beiden Hauptfiguren in ihrer speziellen zurückhaltenden Art dementsprechend mit einer bemerkenswert stoischen Ruhe und Würde.
Diesen Figuren entsprechend wählt José Luis Valle eine distanzierte und extrem ruhige Inszenierungsweise, um zwei emblematischen Beispiele der modernen Arbeitswelt zu zeigen, die ihr gesamtes Dasein ihrem Arbeitgeber untergeordnet haben ohne dafür adäquat honoriert zu werden. Dieser langsame Rhythmus zahlt sich gerade bei der Herausarbeitung von alltäglichen Kleinigkeiten, von absurden Momenten und nicht zuletzt einer melancholischen Stimmung aus, die einzufangen Valle viel wichtiger ist, als seiner losen Geschichte zu folgen. Bei einigen Sequenzen übertreibt es der Spielfilmdebütant allerdings dann aber doch, lässt er die Kamera schier minutenlang, fast im Stil einer Kunstinstallation, einfach das rege Straßentreiben einfangen. Unzweifelhaft beweist der junge mexikanische Regisseur mit seinem Film „Workers“ jedoch eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, welche die zutiefst melancholische Geschichte hinter der Eintönigkeit des Arbeitsalltags auf kunstvolle Weise durchschimmern lässt.
Fazit: „Workers“ ist auf Grund seines extrem gemächlichen Erzählstiles nichts für ungeduldige Naturen, doch gelingt Regisseur José Luis Valle ein leiser Film, in dem er mit eigenwilligem Humor auf poetisch-entrückte Weise vom Schicksal der mexikanischen Arbeiterklasse erzählt und eine Rebellion der kleinen Schritte propagiert.