Als „American Pie“ 1999 seinen weltweiten Siegeszug antrat, folgte die deutsche Antwort auf dem Fuß: Der in Marc Rothemunds „Harte Jungs“ mit seinem besten Stück debattierende Tobias Schenke erreichte ein Jahr später zwar überragende 1,7 Millionen Kinozuschauer, bekam von FILMSTARTS aber nur niederschmetternde 0,5 Sterne. Wo in „American Pie“ der herausfordernde Mix aus liebenswürdigen Figuren und anzüglichen Pointen besser als in jeder anderen Teenager-Komödie gelang, war „Harte Jungs“ einfach nur peinlich und dumm. Eineinhalb Jahrzehnte später unternimmt Regisseur Marco Petry (der zuletzt mit „Heiter bis wolkig“ einen der besten deutschen Filme der vergangenen Jahre abgeliefert hat) nun einen neuen Anlauf, diese Scharte in der heimischen Kinogeschichte mit seiner gleichnamigen Adaption des Romans „Doktorspiele“ von Jaromir Konecny auszuwetzen: Bereits in der Pressemitteilung wird der Film als Komödie im Geiste von „American Pie“ beschrieben und tatsächlich gelingt es Petry, den konsequent unter die Gürtellinie abzielenden Gags eine gehörige Portion Charme beizumischen. Trotzdem merkt man dem Film an, dass das Genre seinen Zenit schon vor mehr als einer Dekade überschritten hat: So wirkt nicht nur die Handlung, sondern auch die allzu gewollte Jugendsprache so in die Jahre gekommen, dass einen die „rosa Glatzköpfe mit dem Rollkragenpulli“ & Co. immer mal wieder aus der ansonsten echt sympathischen Teenager-RomCom herausreißen.
Als er vor zehn Jahren mit seiner Sandkastenfreundin Lilli Doktor spielte, machte sich diese anschließend vor der ganzen Familie über seinen kurzen Schniedel lustig. Kein Wunder also, dass der inzwischen 17-jährige Andi (Merlin Rose) nicht gerade zum sexuell selbstbewusstesten Teenager herangewachsen ist. Das wird auch nicht besser, als er nach dem Training den Womanizer Bobby (Jannis Niewöhner) und dessen Riesending unter der Dusche sieht, denn dummerweise steht auch Andis Angehimmelte Katja (Ella-Maria Gollmer) ausgerechnet auf den gutbestückten Frauenschwarm. Als Katja eine große Party schmeißt, muss sich sein bester Freund Harry (Maximilian von der Groeben) deshalb auch ganz schön ins Zeug legen, um Andi davon zu überzeugen, trotzdem hinzugehen. Und dann steht wenige Stunden vor der Feier plötzlich auch noch die vor Jahren weggezogene Lilli (Lisa Vicari) auf der Matte und bringt in Andi demütigende Erinnerungen wieder hoch…
Wie im großen Vorbild „American Pie“ werden die Teenies auch in „Doktorspiele“ wieder beim Pornoschauen und Onanieren erwischt, zudem wird in ein Aquarium uriniert (inklusive Clownsfisch-Kollateralschaden), eine neue Behinderung namens „Penis-Tourette“ erfunden, um Ausrutscher beim Oralverkehr zu kaschieren, sowie mit Hilfe einer iPad-App über die neuesten Trends in Sachen Intimfrisur diskutiert. Das ist jetzt nicht gerade originell und in Zeiten von MTV-Reality-TV auch nicht mehr so rebellisch-schlüpfrig, wie es das vor 15 Jahren während der Teen-Sex-Comedy-Schwemme noch gewesen wäre, aber es ist trotzdem verdammt lustig (und zwar auf die Art, bei der man sich im Kinosessel vor Fremdschäm-Schmerzen krümmt, aber dennoch zwischen den Fingern hindurch gebannt auf die Leinwand starrt). Dass die Zoten hier zünden, während sie in den gefühlt wöchentlich erscheinenden, fast nur noch direkt im DVD-Ramsch-Regal verschwindenden „American Pie“-Epigonen schon seit zehn Jahren kaum noch mehr als ein müdes Lächeln ernten, liegt an Petrys Gefühl fürs Timing sowie vor allem an den supersympathischen Jungdarstellern.
Ob Merlin Rose („Feuchtgebiete“) als an Penisneid leidender Andi, Maximilian von der Groeben („Fack ju Göhte“) als sich mit seiner Pornosucht ständig in die Bredouille bringender Harry oder Lisa Vicari („Hell“) als supersüße ehemalige Sandkastenliebe Lilli – sie alle spielen mit einer so einnehmenden Natürlichkeit, dass man den hemmungslos Rumpubertierenden immer die Daumen drückt, egal wie dumm sie sich auch anstellen. Und das ist wichtig: Denn sobald das Mitfiebern aufhört, machen auch die Missgeschicke keinen rechten Spaß mehr. Allerdings wird es den Darstellern dabei nicht immer ganz leicht gemacht, die angestrengt-gestelzt wirkende Jugendsprache des Drehbuchs noch einigermaßen authentisch rüberzubringen: Wir haben zumindest noch nie einen Unter-20-Jährigen (bzw. überhaupt noch niemanden) gehört, der seinen besten Kumpel kurzerhand zum „Muschi-Einstein“ erkoren hat.
Fazit: Sympathische Jungstars und gut getimter Slapstick trösten darüber hinweg, dass ein Film mit diesem Plot und diesem Sprachgestus mal locker zehn Jahre zu spät in die Kinos kommt.