Der gemeine Furz hat neben Volksweisheiten wie „Wer ihn hat zuerst gerochen, dem ist er aus der Bux gekrochen!“ auch schon zu allerlei anthropologischen Einsichten rund um die lautlosen, meist besonders fiesen „Schleicher“ sowie die lautstarken, majestätisch knatternden „Rohrkrepierer“ geführt. In seinem Kinderbuch „Doktor Proktors Pupspulver“ treibt der vor allem für seine Krimis bekannte norwegische Bestsellerautor Jo Nesbø diese Furzbegeisterung sogar noch weiter: Ein verrückter Wissenschaftler entwickelt ein Pulver, das sehr lautstarke, aber vollkommen geruchlose Fürze auslöst, die durch den heftigen Rückstoß sogar kleine Flugmanöver ermöglichen. In der gleichnamigen Verfilmung provoziert Regisseur Arild Fröhlich („Fatso“) allein schon mit der Bebilderung der skurrilen Prämisse vor allem beim jungen Zielpublikum etliche Lacher. Den wunderbar-verschrobenen Figuren der Buchvorlage wird der Film hingegen aber kaum gerecht.
Die kleine Lise (Emily Glaister) lebt in einem Vorort von Oslo und fühlt sich seit dem Wegzug ihrer besten Freundin ein wenig verloren. Also freundet sie sich mit dem zwar sehr klein gewachsenen, aber dafür umso schlagfertigeren Bulle (Eilif Hellum Noraker) an, der neu in die Nachbarschaft gezogen ist. Gemeinsam besuchen die beiden den schrulligen Erfinder Doktor Proktor (Kristoffer Joner), der den Kindern seine neuste Erfindung vorstellt, die eigentlich ein Haarwuchsmittel werden sollte: Herausgekommen ist allerdings ein Pupspulver, das sehr lange und laute, dabei aber geruchsneutrale Fürze erzeugen kann! Lise und Bulle haben jede Menge Spaß mit dem Pulver und kommen spontan auf die Idee, das Wunderzeug an andere Kinder zu verkaufen. Schließlich ermöglicht das Pupspulver durch den Rückstoß sogar Flüge durch die Luft! Also könnte doch vielleicht auch die NASA an dem „Pupsonauten-Pulver“ interessiert sein? Zumindest wittert der hinterlistige Herr Trane (Atle Antonsen) einen möglichen Siegeszug der Erfindung und bringt die Rezeptur vorsichtshalber erst einmal in seinen Besitz…
Mit der erfolgreichen, inzwischen sogar schon mehrere Bände umfassenden Buchvorlage im Rücken wurde „Doktor Proktors Pupspulver“ mit erkennbar hohem Aufwand produziert: Das liebevoll dekorierte Labor des Erfinders, der versierte CGI-Einsatz bei den Rundflügen und die knallbunten Bilder erwecken jederzeit den Eindruck einer finanziell großzügig ausgestatteten Hochglanzproduktion. Mit jeder Menge Slapstick und Klamauk ist der Film durchgängig flott und ohne Ruhepausen erzählt – und am Ende wütet sogar eine gruselige Riesenschlange in der Kanalisation von Oslo, die glatt aus einem der „Harry Potter“-Leinwandabenteuer stammen könnte.
Charmante Einfälle wie eine Rückblende in Proktors romantische Vergangenheit in Paris, die wie ein Stummfilm aufgemacht ist und sogar mit den für diese Ära typischen Zwischentiteln aufwartet, bilden im chaotischen Verlauf der Geschichte allerdings eher die Ausnahme. Der viel gelobte Sprachwitz des Romans kommt im ganzen Trubel schnell abhanden und die Charaktere entwickeln kaum ein eigenes Profil, sondern bleiben Abziehbilder, die auch aus einem Sonntagmorgen-Cartoon stammen könnten. Vor allem die erwachsenen Nebenfiguren übernehmen allesamt lediglich die Rolle trotteliger Statisten – so stellen sich die Eltern, die Polizisten oder die Mitglieder der NASA-Delegation jederzeit absolut dämlich an. Letztlich wäre es womöglich sogar eine bessere Idee gewesen, „Doktor Proktors Pupspulver“ gleich als Zeichentrickfilm zu adaptieren – und so jegliche Bodenhaftung von Anfang an komplett über Bord zu werfen.
Fazit: Während sich Regisseur Arild Fröhlich in den turbulenten Klamauk-Szenen richtig schön austobt, bleibt das Liebenswert-Verschrobene der Figuren aus der Vorlage leider allzu bald auf der Strecke.