Familie und Tod sind seit jeher Stoff für Dramen. In familiären Konstellationen sind Menschen verletzlich wie selten, sie verhalten sich extrem und tun ihrem Umfeld extreme Dinge an. Kommen noch ein oder mehrere Todesfälle hinzu, ist das Ergebnis fast immer ein Drama. Dass Tod und Komödie sich nicht zwangsläufig ausschließen müssen, haben etwa Marcus H. Rosenmüller mit „Wer früher stirbt ist länger tot" oder das Regie-Trio hinter der schwarzen belgischen Komödie „Mann beißt Hund" und „Kill me Please" bewiesen. Nun versucht sich Jan Schütte mit „Leg ihn um - Ein Familienfest" an einer Komödie über den Tod, erreicht aber weder den lebenslustigen Heimat-Witz von Rosenmüller noch den bösen, tiefschwarzen Humor der Belgier.
Der alte, steinreiche Witwer August Manzl (Hans-Michael Rehberg) lädt drei seiner vier Kinder auf sein Anwesen ein und lässt ihnen mitteilen, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Doch die wirklich schockierende Nachricht folgt erst noch: Manzl verspricht sein Erbe demjenigen, der ihn innerhalb von einer Woche ins Jenseits befördert. Alle anderen gehen leer aus – so wie sie alle nichts bekommen, wenn der Alte nach Ablauf der Frist noch am Leben ist. Sylvia (Susanne Wolff) versteht zunächst gar nicht, was da gerade gesagt wurde, geht aber wenig später mit klarem Ziel in eine Apotheke. Ihr Bruder Karl (Oliver Sauer) hat zum ersten Mal eine „Freundin" (Ole Schlosshauer) mitgebracht und versucht sich über das weitere Vorgehen klar zu werden. Hugo (Stephan Schad) sucht mit seiner Freundin (Oana Solomonescu) erst einmal das Weite, um dann wiederzukehren und perfide Pläne zu schmieden. Die jüngste Tochter Elisabeth (Pheline Roggan), die nur zufällig dazu kommt, soll nach Vaters Willen nichts von dem Abkommen erfahren. Sie will die überraschende Anwesenheit aller Geschwister nichtsahnend für eine therapeutische Aussprache nutzen.
Zu Beginn ist noch nicht ganz klar, welchen Ton Jan Schütte, der auch das Drehbuch schrieb, in den folgenden Minuten anschlagen wird: Ist dies der Auftakt eines Familiendramas, in dem durch die Ankündigung des nahen Todes noch einmal eine neue familiäre Dynamik zwischen Kindern und Vater entsteht? Oder ist die ungewöhnliche Wahl des Erbens ernst gemeint? Verstörte Blicke und ungläubiges Staunen ist auf den Gesichtern der Kinder zu sehen, als sie die merkwürdige Nachricht erhalten. Per Kamera und iPad verfolgt der Patriarch im Krankenbett liegend gespannt die Reaktion seiner Nachkömmlinge. Vielversprechend geht es weiter: Karls Freundin Jenny wird dem Alten vorgestellt. Der grinst und meint zu Karl: „Ich dachte du wärst schwul", was „Jenny" – ein Mann in Frauenkleidern – mit „Arschloch" kommentiert und das Zimmer verlässt. Wunderbar herablassend winkt der Manzl-Vater auch noch den Filius aus dem Zimmer heraus. In diesen Szenen verleiht Hans-Michael Rehberg („Stammheim") dem alten Manzl eine wunderbar herrische Gestik und Blicke von Verachtung bis Desinteresse. Doch diesen scharfen Tonfall hält Schütte nicht durch.
Statt seine rabenschwarze Grundidee mit einer konsequenten Inszenierung noch weiter zu untermauern, wirkt „Leg ihn um" bisweilen seltsam verwässert und es entsteht der Eindruck als wolle man einem Publikum bei einer späteren TV-Ausstrahlung nicht zu viel zumuten. Der Sex, der eine wichtige und tödliche Rolle spielen soll, wirkt arg verklemmt, die angestaute Aggression der Manzl-Kinder wird nur halbherzig herausgelassen und der nahende Tod dient nur als dramaturgischer Vorwand für eine Abfolge an vermeintlich witzigen Situationen. So sieht man den Figuren dabei zu, wie sie einer nach dem anderen einen Mordversuch wagen und erwartbar scheitern.
Schnell wird klar, dass alle Manzl-Kinder ein Problem mit ihrem Selbstwertgefühl haben. Statt dies auszugestalten, bleiben die Figuren zu oberflächlich: Da erfüllt Hugo bloß das Klischees des koksenden Schnösels mit Sonnenbrille und Karl hadert mit seiner Sexualität. Die angebliche Auswirkung der autoritären Erziehung zeigt sich nur in vordergründigen Dialogen – mehrfach bezeichnen sich Figuren als „Versager" oder „Waschlappen" – anstatt in filmischen Möglichkeiten. Dass Nebenfiguren wie eine Apothekerin oder ein Baumarkt-Mitarbeiter offenkundige Blessuren mit Pflastern und Verbänden zeigen, ist eher ein Running Gag als schlüssige Metapher eines Films, der seine schöne Grundidee zu oft nicht voll ausreizt.
Fazit: „Leg ihn um - Ein Familienfest" hat das Zeug zu einer richtig bitterbösen, tiefschwarzen Komödie. Zu oft bleibt die gute Idee aber auf halber Strecke stecken.