Mein Konto
    Hai-Alarm am Müggelsee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hai-Alarm am Müggelsee
    Von Andreas Staben

    Wer einen Eindruck davon haben möchte, was für eine Art von Film „Hai-Alarm am Müggelsee" sein könnte, der sei zunächst an die Macher selbst verwiesen. Regisseur Leander Haußmann („Sonnenallee") und Musiker Sven Regener haben schon bei „Herr Lehmann" erfolgreich zusammengearbeitet und nun in ihren eigenen Worten nichts weniger im Gepäck als ein neues Genre: den Alarm-Film. Sie sind optimistisch, dass „diese konsequente Verschmelzung des Katastrophen- und des Action-Films mit dem Bürokratie-Drama klassischer Schule" das deutsche Kino retten könnte. Einige der zahlreichen einheimischen Stars, die Haußmann und Regener dafür zusammengetrommelt haben, sehen das ähnlich. Sie fanden das Projekt so reizvoll und spaßig, dass sie sich mit ihrem eigenen Geld an der Produktion beteiligt haben. Und tatsächlich könnten dem deutschen Kino zwei, drei Filme im Jahr vom Schlag dieses „Hai-Alarms" nicht schaden, denn die heitere Provinz-Posse und Kommunal-Komödie vom schönen Müggelsee in Berlin erweist sich als relaxter Reigen witziger Einfälle, der auf ganz eigene Weise hält, was die ironisch-alberne Selbstvermarktung verspricht.

    Am Müggelsee in Berlin-Friedrichshagen ist es eigentlich recht beschaulich. Doch dann wird dem Bademeister (Michael Gwisdek) die Hand abgebissen und der Bürgermeister (Henry Hübchen) wittert Gefahr. Nach Rücksprache mit der Städtemarketing-Expertin Vera Baum (Anna-Maria Hirsch), dem Fischexperten der Humboldt-Universität (Tom Schilling) und dem Polizisten Müller (Detlev Buck) wird beschlossen, dass die Leute auf „positive Weise" davon abgehalten werden sollen, in den Müggelsee zu gehen. Eine Panik soll auf jeden Fall vermieden werden. Trotz Freibier und Streichelzoo gibt es bald Widerstand, vor allem „Der reiche Mann von Friedrichshagen" (Benno Fürmann), Betreiber des Strandbads, will sich nicht das Geschäft vermasseln lassen. Es soll zunächst so getan werden, als wäre nichts gewesen. Als jedoch der aus Hawaii zurückgekehrte Haijäger Snake Müller (Uwe Dag Berlin) in die Ratssitzung stürmt und lauthals insistiert, dass ein Hai im See schwimme, gibt es nur noch eine Option: Hai-Alarm!

    „Hai-Alarm am Müggelsee" fühlt sich an, als hätten sich gute Freunde mit einigen witzigen Ideen im Gepäck einfach mit anderen guten Freunden zusammengetan, um ganz entspannt etwas Spaß zu haben. Das wird besonders durch die Dauerpräsenz der beiden Masterminds Haußmann und Regener unterstrichen, die zusammen das Drehbuch und die Musik schrieben sowie dazu auch noch in verschiedene kleine Rollen schlüpften. Die verschlafenen Originalschauplätze im tiefen Berliner Osten und die vielen ortsspezifischen Anspielungen (wehe dem Politiker, der Friedrichshagen mit Friedrichshain verwechselt) verstärken den Eindruck dieser fröhlichen Selbstgenügsamkeit, wobei Seitenhiebe auf Wowereit und das Beharren auf Eigenständigkeit innerhalb einer großen Stadt, der man sich nicht zugehörig fühlt, auch in Wattenscheid und anderswo verständlich sind - grandios ist dabei der lokalpatriotische Song „Friedrichshagen, du alte Nutte" als Höhepunkt einer irren internationalen Pressekonferenz zum Alarm.

    Von Insider-Späßen (Haußmanns Theater-Spezis Frank Castorf und Jürgen Flimm sitzen den ganzen Film hindurch beim Griechen und trinken Ouzo) bis zum ausgedehnten Experimentalslapstick (Benno Fürmann versucht mit einem Hammer eine Kamera zu zerstören) und zum orakelartigen Naturereignis Katharina Thalbach (sie spielt „Die zynische Irre" und prophezeit „Günther Jauch kann euch auch nicht mehr retten") - der „Hai-Alarm" macht am meisten Spaß, wenn man solche und andere Details einfach auf sich wirken lässt. Der rote Handlungsfaden dagegen bringt auch weniger Gelungenes mit sich, so ist die Satire auf das allgegenwärtige Marketing und seinen Jargon längst nicht immer lustig und auch die Bürokratie-Witze sind zum Teil von ebenso fragwürdiger Frische wie die Hackepeter-Schnittchen beim Bürgermeister – auch wenn die Orgie (mit Alarm-Bier!), in die eine der Sitzungen mündet, fabelhaft choreographiertes Chaos ist.

    Regisseur Haußmann wiederholt nicht Steven Spielbergs „Fehler" aus „Der weiße Hai" und zeigt uns den Auslöser für das Theater nicht, dafür erklärt er uns mit einer hübschen Rückblende in DDR-Zeiten, wie es dazu kommen konnte. Das entdeckt man aber genauso wie die ominöse Verbreitung des Namens Müller lieber selbst. Sehenswert ist auch eine Plansequenz entlang der Bölschestraße, die mit Hilfe einer Fahrradrikscha entstand und die Henry Hübchen („Alles auf Zucker") nutzt, um einige uneingeweihte Friedrichshagener zu überraschen. Der DDR-Meister im Surfen von 1980/81 ist auch beim Surfpaddeln zu bewundern und geht in seiner Rolle als jovial-umtriebiger Bürgermeister förmlich auf. Auch Michael Gwisdek („Nachtgestalten") hat sichtlich Spaß (vor allem mit seiner neuen Hand), Detlev Buck („Männerpension") ist trocken-norddeutsch wie immer, Tom Schilling („Oh Boy") als Wissenschaftler ein köstlicher Fremdkörper und Benno Fürmann („Jerichow") genießt das Dasein als „Reicher Mann".

    Fazit: „Hai-Alarm am Müggelsee" ist eine humorige „Trash-Etüde" und eine entspannte Provinz-Komödie mit einer ganzen Riege spielfreudiger deutscher Stars, die ordentlich Alarm machen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top