"The Dark Knight" trifft "Sieben" – und "Saw"!
Von Julius VietzenBraucht es wirklich schon wieder einen neuen Batman? Die letzte eigene Reihe des Dunklen Ritters ging mit Christian Bales finalem Auftritt in „The Dark Knight Rises“ zwar vor rund zehn Jahren zu Ende, aber dennoch blieb die Figur weiter präsent. Ben Affleck schlüpfte 2016 in „Batman V Superman“ das erste Mal ins Kostüm, war erst 2021 in „Zack Snyder's Justice League“ wieder als Batman zu sehen und wird diese Rolle auch im kommenden DC-Film „The Flash“ noch einmal verkörpern – ebenso wie übrigens Michael Keaton aus „Batman“ und „Batmans Rückkehr“.
Mit Robert Pattinsons Debüt in „The Batman“ haben wir nun also allein im Kino drei Varianten des Helden zur selben Zeit. Zu viele? Mitnichten! Denn auch wenn Regisseur und Co-Drehbuchautor Matt Reeves teilweise auf bekannte Versatzstücke setzt, gewinnt er dem Fledermausmann gleichzeitig auch einige zumindest auf der großen Leinwand noch nie gesehene Facetten ab. Das Resultat ist ein starkes Krimi-Drama mit herausragenden Superhelden-Actionszenen, das die Figur Batman und ihre verbreitete Wahrnehmung als dunkler Rächer gekonnt dekonstruiert.
Jim Gordon (Jeffrey Wright) und Batman (Robert Pattinson) auf Riddler-Jagd.
Seit mehr als einem Jahr ist Bruce Wayne (Robert Pattinson) als Batman in seiner Heimatstadt Gotham City unterwegs, doch durch seine Aktivitäten hat sich nichts zum Besseren gewendet, im Gegenteil: Verbrechen, Gewalt und Korruption wüten schlimmer als je zuvor.
Und während die Bürgermeisterwahlen bevorstehen, wird der bisherige Amtsinhaber Don Mitchell (Rupert Penry-Jones) von einem maskierten Killer ermordet. Am Tatort hinterlässt der eine direkt an Batman adressierte Botschaft, während er im Internet ankündigt, die Lügen enttarnen zu wollen, auf denen die Stadt erbaut ist. Doch das ist nur der Anfang einer Mordserie, die Batman und Lieutenant Gordon (Jeffrey Wright) stoppen müssen und in die bald auch die Nachtclubkellnerin und Diebin Selina Kyle (Zoe Kravitz) verwickelt wird...
Die Synopsis deutet es schon an und auch Regisseur Matt Reeves hat es in Interviews vor Kinostart stets betont: „The Batman“ gleicht mehr einem Serienkiller-Thriller als einem klassischen Superhelden-Blockbuster. Über lange Strecken des Films folgen wir Batman und Gordon dabei, wie sie versuchen, die Hinweise des mysteriösen Riddler zu entschlüsseln, ihn zu schnappen, bevor er wieder zuschlägt, und den Grund hinter seinem Rachefeldzug gegen die Reichen und Mächtigen von Gotham zu verstehen.
Wie Brad Pitt und Morgan Freeman im klar zu erkennenden Vorbild „Sieben“ macht auch hier das ermittelnde Duo Fehler. In einer Szene ist es etwa ausgerechnet der Pinguin (kaum zu erkennen als Gangsterboss, der auch aus einem Scorsese-Film stammen könnte: Colin Farrell), der Batman und Gordon auf ein falsch gelöstes Riddler-Rätsel hinweist und sie so der eigentlichen Antwort ein Stück näher bringt.
Ja, das ist wirklich Colin Farrell als Pinguin!
Mit solchen gelungenen Szenen sorgen Reeves und sein Co-Autor Peter Craig („The Town“) immer wieder für neuen Schwung in einem Krimi-Plot, der bei einer Laufzeit von knapp drei Stunden allerdings durchaus die eine oder andere Länge aufweist – auch weil manchmal weniger dann doch mehr gewesen wäre. Wenn eine überraschende Enthüllung über eine Figur und ihre Verbindung zu Batman in der nächsten Szene direkt wieder rückgängig gemacht wird, darf man schon fragen, ob der ganze Umweg angesichts der ohnehin schon vorhandenen Rätselfülle nötig war.
Trotz kleiner Längen und Mängel überzeugt die Detektivarbeit samt Serienkiller-Jagd aber durch immer neue Wendungen und clever konstruierte Rätsel. „The Batman“ fühlt sich frisch und anders als die vorherigen Filme des Dunklen Ritters an, auch wenn es in „Batman Forever“ bereits Riddler-Rätsel und in „The Dark Knight“ bedrohliche Video-Botschaften gab. Denn Reeves und Craig räumen der Detektivarbeit nicht nur mehr Zeit ein, sondern treiben die bekannten Elemente auch auf die Spitze.
War Jim Carreys Riddler in „Batman Forever“ noch eine Witzfigur im Fragezeichen-Strampelanzug, ist Paul Danos Version in „The Batman“ ein maskierter Psychopath, der schreiend und mit gnadenloser Härte auf seine längst überwältigten Opfer einschlägt. Die Methoden, mit denen er seine Opfer tötet, gleichen dabei den perversen Folterfallen aus den „Saw“-Filmen – auch wenn es aufgrund der niedrigeren Altersfreigabe natürlich nie so blutig wird. Da wird eines der Opfer etwa in eine Konstruktion mit Ratten gesperrt, die ihn zerfressen. Ein anderes trägt eine Sprengfalle um den Hals und muss unter Zeitdruck Fragen des Riddler beantworten.
Dabei erleben wir in „The Batman“ sehr nachdrücklich und sehr pointiert, welche Auswirkungen der Umgang der Medien mit dem Riddler hat: Die Fernsehsender stürzen sich auf jede neue Entwicklung und geben dem Killer so völlig unreflektiert eine Plattform, während der Riddler seine Botschaften wiederum selbst mit seinen Fans im Internet teilt.
Hat wenig mit Jim Carreys Version der Figur gemein: der Riddler in "The Batman".
So entwickelt sich „The Batman“ nach und nach zu einer erschreckend aktuellen Auseinandersetzung mit den Gefahren von (sozialen) Medien und deren Einfluss auf Gewalttaten und mögliche Nachahmer – eine Problematik, die wir auch in unserer Welt immer wieder erleben. Auf den ersten Blick mag der Riddler zwar an Heath Ledgers Joker aus „The Dark Knight“ erinnern, doch er ist ganz eindeutig ein Produkt unserer Gegenwart mit Messageboard-Verschwörungstheorien und livegestreamten Attentaten.
Doch nicht nur beim Riddler, auch bei der Darstellung der Hauptfigur legt Reeves den Finger in die Wunde und stellt das etablierte Bild von Batman als düsterem Rächer geschickt in Frage. Dafür geht der Regisseur bis an die Anfänge von Bruce Wayne mit der Ermordung seiner Eltern und seiner Jugend als Waise zurück. Er konzentriert sich aber vor allem darauf, zu was für einem Mann dieses Waisenkind geworden ist...
Robert Pattinson spielt die bisher wohl heruntergekommenste Version des Milliardärs. Konsequent ist er kaum noch Bruce Wayne und fast nur noch Batman, ein Mann mit schmierigen Haaren und tiefen Augenringen, der sich selbst als „nachtaktives Tier“ bezeichnet und eine Sonnenbrille tragen muss, weil er aufgrund seiner nächtlichen Streifzüge kaum noch das Tageslicht verträgt.
Was hier die wahre Identität und was die Maske ist, verschwimmt immer mehr. Und dass das nicht gesund ist, zeigt Reeves wieder und wieder, indem er deutliche Parallelen zwischen Batman und seinem Widersacher Riddler zieht. So führen beide Figuren ein Tagebuch, deren Einträge über ihre großen Pläne, Gotham nach ihren Vorstellungen umzugestalten, sich bei genauem Hinschauen doch verdammt ähneln. Das angesprochene Gotham ist passend zu diesem düsteren Helden gestaltet: So verdreckt und verregnet wie in „The Batman“ war die Comic-Metropole noch nie.
Anfangs lädt uns Reeves noch dazu ein, diesem Batman die Daumen zu drücken. Doch ist der überhaupt noch ein Held? Ist ein Dunkler Ritter, der stolz darauf ist, dass er die Kriminellen der Stadt in Angst und Schrecken versetzt, und der mit kaum gezügelter Wut auf bereits am Boden liegende Gangster einprügelt, wirklich eine geeignete Identifikationsfigur? Spätestens im Finale stellt der Regisseur das zuvor Gezeigte mit einem cleveren Kniff dann endgültig auf den Kopf.
Natürlich wollen wir hier nicht zu viel zu verraten. Doch die „Ich bin Vergeltung“-Szene, die nach dem ersten Trailer ehrfürchtig und begeistert in den sozialen Medien geteilt wurde (im Trailer oben ab Minute 1:30), bekommt am Schluss auf einmal eine ganz neue Lesart, welche Batmans Selbstbild nachhaltig erschüttert: Vielleicht sind Gewalt und Selbstjustiz doch nicht das beste Mittel, um die Probleme von Gotham zu lösen?
Mit dem messerscharfen thematischen Fokus und der stark herausgearbeiteten Botschaft lässt „The Batman“ die meisten anderen Superhelden-Filme (egal ob Marvel oder DC) hinter sich. Gleichzeitig ist „The Batman“ aber natürlich keine trockene Abhandlung über Selbstjustiz. Während Reeves mit einer Hand am Batman-Mythos sägt, zaubert er nämlich mit der anderen immer wieder sensationelle Superhelden-Actionszenen auf die Leinwand – ein Widerspruch, der erst in den letzten Minuten des Films aufgelöst wird.
Reeves versteht es dabei gekonnt, Batman immer wieder als die fast schon übernatürliche Bedrohung in Szene zu setzen, als die ihn die Kriminellen und Gangster von Gotham sehen müssen, wenn er zum Beispiel mit donnernden Schritten aus den Schatten heraustritt. Passend lässt auch das Batmobil (eine Art aufgemotztes Muscle Car) durch seinen wie ein Raubtier aufheulenden Turbinenantrieb beim ersten Auftritt Batmans Gegenspieler erzittern (und das ganze Kino gleich mit).
Vorangetrieben von Michael Giacchinos triumphalem neuen Batman-Thema und eingefangen in großartige rot-schwarze Bilder von Kameramann Greig Fraser („Dune“) gehört die anschließende Verfolgungsjagd zu den Actionhighlights in „The Batman“: Stellt euch einfach die wahnwitzige Freeway-Verfolgungsjagd aus „Matrix Reloaded“ vor – allerdings bei Nacht und im Regen. Die Szene ist ein minutenlanger, ununterbrochener Gänsehaut-Moment, doch längst nicht der einzige in „The Batman“: Auch ein Wingsuit-Flug durch die engen Häuserschluchten Gothams an anderer Stelle bleibt etwa nachhaltig in Erinnerung.
Catwoman (Zoe Kravitz) stiehlt Batman so manches Mal die Show.
Auch wenn der Fokus sehr auf dem Duell und der Ähnlichkeit zwischen Batman und Riddler liegt, ist es eine Frau, die sich in dem sonst so männlich dominierten Figurenensemble in den Vordergrund spielt und daher nicht unerwähnt bleiben soll: Wir verraten hier nicht, wie Zoe Kravitz als Catwoman in die Handlung von „The Batman“ passt, daher nur so viel: Ganz in der Tradition der ikonischen Comic-Figur hilft sie dem Protagonisten zwar mal, stellt aber häufig auch ihre eigene Agenda in den Vordergrund und wickelt den Dunklen Ritter um ihre mit langen, spitzen Nägeln versehenen Finger.
Die Figur und Kravitz' Darstellung sind schlicht großartig, der romantische Aspekt ihrer Beziehung mit Batman ist allerdings eine große Schwäche der Comic-Verfilmung – womöglich auch, weil er auf einem fragwürdigen Fundament erbaut ist: Nach dem ersten Treffen beobachtet er sie minutenlang heimlich dabei, wie sie sich in ihrer Wohnung aus- und das Catwoman-Kostüm anzieht. Dieser Stalker-Moment wirkt besonders fehl am Platz, weil männlicher Machtmissbrauch in der übrigen Handlung eine durchaus wichtige Rolle spielt.
Fazit: Medienkritik und Batman-Dekonstruktion statt Blockbuster-Spaß sowie Serienkiller-Krimi statt Rettung der Welt: „The Batman“ ist kein typischer Superheldenfilm, aber ein hervorragender.