Man kann nicht oft genug daran erinnert werden, dass auch Kinder Helden sein können. Wie oft Kinder im Erwachsenenkino – im Kinderfilm ist das natürlich anders – als hilflose Opfer dargestellt werden, fällt einem erst dann besonders auf, wenn es einmal nicht so ist. Wie in „Bekas“, dem ersten langen Spielfilm des jungen schwedisch-kurdischen Regisseurs Karzan Kader (Jahrgang 1981). Kader, der selbst im Alter von sechs Jahren den Irak verließ und erst nach einer Irrfahrt von fast einem Jahr mit seiner Familie in Schweden ankam, macht einen Sechsjährigen und dessen großen Bruder zu den Helden seines Films, der im Nordirak spielt. Die Brüder sind Waisen. Kader gestaltet eine Geschichte, die anderen Regisseuren Futter für ein tragisches Gutmenschen-Melodram gewesen wäre, als abenteuerliches, märchenhaftes Roadmovie und arbeitet dabei bevorzugt mit den spielerischen Mitteln der Burleske. Unübersehbar haben die Werke Astrid Lindgrens Pate gestanden; die Brüder Löwenherz lassen ebenso grüßen wie die so unerschrockene wie unverwundbare Pippi Langstrumpf. Doch auch die dunkleren Aspekte der Lebenswirklichkeit im irakischen Teil Kurdistans bleiben dem kindlichen Blick, den Kaders Film einnimmt, nicht verborgen.
Superman ist das Idol von Dana und Zana (Karzan Kader fand seine Hauptdarsteller Sarwar Fazil und Zamand Taha beim Casting in Kurdistan), zwei Brüdern im Alter von sechs und zehn Jahren, die seit dem Tod ihrer Eltern auf sich allein gestellt sind. Sie leben auf der Straße eines Ortes im kurdischen Teil des Nordirak und träumen von Amerika. Dort wollen sie hin und Superman finden, damit der alle bestraft, die gemein zu ihnen sind. Auf dem Basar putzen sie Schuhe, um Geld für zwei Pässe zu verdienen. Und natürlich sind längst nicht alle Menschen gemein. Viele Erwachsene helfen den Brüdern mit kleinen Dingen, durch den Alltag zu kommen. Schließlich gelingt es ihnen, einen Esel zu kaufen, den sie „Michael Jackson“ nennen und auf dem sie losreiten, über unendliche, staubige Straßen, in die Richtung, in der sie Amerika vermuten. Unterwegs werden ihr Durchhaltewillen und ihre Beziehung auf harte Proben gestellt: Zuerst verlieren sich die Brüder, da Dana es nicht schafft, von einem Laster abzuspringen, der – symbolträchtig – Coca-Cola-Flaschen transportiert. Zu einem noch schicksalhafteren Bruch kommt es in einem Grenzort, wo die Jungen den Esel verkaufen, um einen Schmuggler zu bezahlen. Doch Dana trifft ein Mädchen wieder, in das er früher verliebt gewesen ist, und möchte auf einmal nicht mehr fort. Ganz im Gegensatz zum kleinen Zana…
„Bekas“ ist ein Film für die ganze Familie, denn natürlich können Kinder sich ohne Probleme mit den jungen Helden identifizieren. Der oft komödiantische Gestus macht überdies deutlich, dass in diesem Film nichts wirklich Schlimmes passieren wird. Selbst wenn es manchmal hart zur Sache geht, Erwachsene böse oder gleichgültig sein können, und auch wenn gefährliche Landminen in der Gegend herumliegen: Zana und Dana werden unbeschadet aus allen Fährnissen hervorgehen. Das macht schon das Filmplakat deutlich, auf dem der kleine Zana ein rotes Tuch umgebunden trägt, das ihn umflattert wie Superman dessen Cape. Superman ist nämlich quasi der Schutzheilige dieses Films, und Pippi Langstrumpf, eine fast schon mythologische Figur der schwedischen Kultur, ist natürlich dessen Schwester. Man braucht nicht sehr viel tiefenpsychologisches Einfühlungsvermögen, um sich vorzustellen, welchen Eindruck die Bekanntschaft mit der schwedischen Superheldinnenfigur auf den kleinen Karzan Kader gemacht haben muss, als er, im selben Alter wie sein Filmheld Zana, als Flüchtling Schweden erreichte. So ist sein Film eine Hommage nach zwei Seiten: ein Gruß an die alte und an die neue Heimat.
Fazit: Superman in Irakisch-Kurdistan: Der schwedisch-kurdische Regisseur Karzan Kader hat ein abenteuerliches Roadmovie über zwei Waisenkinder gedreht, das seine kindlichen Helden in burlesker Manier sicher durch alle Gefahren geleitet. Ein sehr familienkompatibler Film mit atmosphärischen Bildern der herben Landschaft im Nordirak.