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    A Long Way Down
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    A Long Way Down
    Von Christoph Petersen

    Trocken, trockener, Nick Hornby! Vom aus dem Ruder gelaufenen Fußballfantum in „Fever Pitch“ bis zur ungewollten Teenager-Schwangerschaft in „Slam“ – der britische Kultautor begegnet den von ihm fein beobachteten Alltagsphänomen in seinen Geschichten stets mit einem herrlich schwarzen, aber dennoch niemals bösartigen Humor. Da überrascht es dann auch nicht, dass es ihm tatsächlich gelungen ist, mit „A Long Way Down“ einen ebenso bissigen wie gutgelaunten Unterhaltungsroman ausgerechnet über das Downer-Thema „Selbstmord“ zu verfassen. Und auch bei der Leinwandadaption des Bestsellers muss niemand Angst haben, dass er nach dem Kinobesuch gleich selbst aufs nächste Hochausdach steigen möchte; ganz im Gegenteil: Pascal Chaumeil („Der Auftragslover“) verschiebt den Fokus sogar noch ein wenig deutlicher in Richtung Gute-Laune-Kino und liefert gemeinsam mit seinem hervorragend aufgelegten Darsteller-Quartett eine charmant-makabre Komödie, in der trotz der vorherrschenden Wohlfühl-Elemente auch eine Reihe satirischer Reizpunkte gesetzt werden.

    Nach der vom Boulevard ausgeschlachteten Affäre mit einer 15-Jährigen, die er selbst für mindestens 25 hielt, sind Karriere und Ehe von Martin Shaw (Pierce Brosnan) völlig im Eimer. Also beschließt der geschasste Morgenshow-Moderator, sich in der Silvesternacht vom Topper‘s Tower in London zu stürzen. Offenbar ist er aber nicht der einzige mit dieser Idee, denn plötzlich tauchen auch noch die Politiker-Tochter Jess (Imogen Poots), die alleinerziehende Mutter Maureen (Toni Collette) und der Pizzabote J.J. (Aaron Paul) auf dem Dach des Gebäudes auf. Nach einigen Diskussionen schließen sie einen Pakt: Keiner von ihnen wird sich vor dem Valentinstag in sechs Wochen das Leben nehmen. So bleibt allen genügend Zeit, um noch einmal darüber nachzudenken, ob das Leben nicht vielleicht doch eine zweite Chance verdient. Aber dann sickert die Story an die Presse durch und die verhinderten Selbstmörder avancieren über Nacht zu gefragten Medienstars. Und schließlich erzählt Jess im TV auch noch etwas von einem angeblichen Engel in Matt-Damon-Gestalt…

    „A Long Way Down“ ist zwar ein Wohlfühlfilm, aber das ernste Thema wird dennoch nicht weichgewaschen. Gerade weil vier zwar grundverschiedene, aber dennoch an einem ähnlichen Punkt in ihrem Leben stehende und gleichermaßen verzweifelte Menschen zusammengewürfelt werden, übt sich hier niemand in falscher Political Correctness, stattdessen wird einander durchaus offen die Meinung gegeigt. So fragt etwa Maureen gleich nach ihrer Ankunft auf dem Dach den bereits am Sims kauernden Martin: „Ich weiß nicht genau, wie ich es formulieren soll… aber brauchen Sie noch lange?“ Und wenn dann - vom Matt-Damon-Engel angestachelt – auch noch enttäuschte Frühstücksfernseh-Moderatorinnen und Undercover-Klatschblatt-Reporter auf der Bildfläche auftauchen, entwickelt sich der Film zusätzlich zur schallenden Medienschelte. Nick Hornbys „A Long Way Down“ begeistert aber nicht nur mit seiner gelungenen Gratwanderung zwischen bissigem Humor und beschwingtem Charme…

    … sondern auch mit seiner ungewöhnlichen Erzählstruktur. Der Roman ist in Tagebuchform verfasst, wobei die Autorschaft alle paar Seiten zwischen den vier Beinahe-Selbstmördern wechselt. Das eins-zu-eins in ein Drehbuch zu übernehmen, ist zwar so gut wie unmöglich, aber Autor Jack Thorne hat den Film nun zumindest in vier Abschnitte geteilt, wobei jeweils ein anderer Schauspieler den Plot aus dem Off kommentiert. So lernt der Zuschauer alle vier Protagonisten wirklich kennen und versteht ihre unterschiedlichen Sorgen und Nöten umso besser. Dabei ist der Liebling von Lesern und Filmzuschauern übrigens derselbe: Während Ex-Bond Pierce Brosnan, „Breaking Bad“-Drogenkoch Aaron Paul und „The Sixth Sense“-Star Toni Collette absolut solide aufspielen, stiehlt ihnen Imogen Poots als unberechenbare Jess trotzdem immer wieder die Show. So wie die britische Nachwuchsaktrice hier als den Beschützerinstinkt des Zuschauers weckende Teenie-Naturgewalt über die Leinwand hineinbricht, sind wir uns sicher, dass ihr in den kommenden Jahren auch in Hollywood endlich mehr als nur Nebenrollen wie in „Fright Night“ und „Für immer Single?“ angeboten werden.

    Fazit: Selbstmord kann auch Spaß machen.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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