Das Wettrennen um den früheren Kinostart hat er zwar verloren, aber dank besserer Haltungsnoten geht der Sieg im Duell der Weißes-Haus-Filme „Olympus Has Fallen“ und „White House Down“ dennoch deutlich an den Action-Blockbuster von Roland Emmerich. Statt wie sein Kollege Antoine Fuqua in dem unreflektiert patriotischen Brutalostreifen „Olympus Has Fallen“ auf möglichst heftige Weise die Schädel von Nordkoreanern zu zertrümmern, präsentiert der schwäbische Hollywood-Export einen augenzwinkernden Unterhaltungsfilm, der nicht nur mit ausufernder Action, sondern auch mit einem wunderbar harmonierenden Hauptdarsteller-Duo sowie einer satten Portion Humor überzeugt. Der Master of Disaster mag im Kinosommer 2013 in Sachen purer Durchschlagskraft hinter den Zerstörungsorgien „Man of Steel“ und „Pacific Rim“ zurückstehen, aber wer verspieltes 90er-Jahre-Blockbusterkino wie „Independence Day“ oder „Stirb langsam - Jetzt erst recht“ schätzt, der dürfte auch mit „White House Down“ eine gute Zeit haben.
Agent John Cale (Channing Tatum) ist als Sicherheitsmann für den Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Eli Raphelson (Richard Jenkins), im Einsatz. Viel lieber würde er jedoch im Secret-Service-Team des amerikanischen Präsidenten James Sawyer (Jamie Foxx) arbeiten, auch weil er so seine bei ihrer Mutter lebende Tochter Emily (Joey King) beeindrucken könnte – die ist nämlich ein waschechtes Weißes-Haus-Fangirl und weiß einfach alles über den US-Regierungssitz. Deshalb nimmt John die Elfjährige auch mit, als er endlich die Chance zu einem Vorstellungsgespräch bei Secret-Service-Chefin Carol Finnerty (Maggie Gyllenhaal) erhält. Zwar wird dabei ziemlich schnell klar, dass John den Job nicht bekommen wird, aber Emily erzählt er lieber nichts davon. Stattdessen nimmt er gemeinsam mit seiner Tochter an einer Tour durchs Weiße Haus teil, in deren Verlauf das Gebäude von einer Gruppe Terroristen gestürmt wird. Während die Angreifer den Rest der Touristen als Geiseln nehmen, kann John fliehen und ist kurz darauf der einzige, der den Präsidenten jetzt noch beschützen kann…
Nachdem das Drehbuch von James Vanderbilt („Spider-Man: Die Rückkehr des Helden“) unter bis heute ungeklärten Umständen im Internet gelandet ist, gab es zwischen einigen Hollywoodstudios einen regelrechten Bieterwettstreit, aus dem Sony Pictures am Ende mit einem Gebot von stolzen drei Millionen Dollar als Sieger hervorging. Wenn man sich „White House Down“ nun so anschaut, ist zunächst nicht klar, warum hier ausgerechnet das Skript der Star sein soll. Aber am Ende ist Vanderbilt einfach eine hervorragende Mischung gelungen – es gibt eben nicht nur den hanebüchen-unterhaltsamen „Stirb langsam“-Gedächtnis-Plot, sondern auch genügend emotionale Anknüpfungspunkte für das Publikum (die Vater-Tochter-Beziehung bietet exakt die richtige Dosis Kitsch für einen Film dieser Art) sowie jede Menge entwaffnenden Humor: Der Ich-achte-auf-die-alte-chinesische-Vase-selbst-wenn-mir-die-Kugeln-um-die-Ohren-sausen-Tourguide Donnie (Nicolas Wright) hätte das Zeug zu einer der enervierendsten Figuren der Filmgeschichte gehabt – aber dank Vanderbilts zündender Oneliner und Emmerichs gutem Gespür für komödiantisches Timing ist der Comedy-Sidekick nun tatsächlich richtig lustig.
Zudem macht es sich Vanderbilt nicht so leicht, einfach einen Haufen Nordkoreaner als Bösewichte einfliegen zu lassen. Sicherlich ist sein Verschwörungs-Plot ebenso weit hergeholt, wie es schon bei 90er-Jahre-Polit-Actionern (das „Der Schakal“-Remake & Co.) häufig der Fall war, doch er sucht sich seine Feinde zumindest im Inneren und teilt ohne falsche Zurückhaltung gegen die Richtigen aus - wir wollen aber niemandem den Spaß verderben und verraten deshalb nicht, wer letztlich hinter dem Komplott steckt. Selbst der Umstand, dass Emmerich seine politische Botschaft (Frieden ist erstrebenswert, aber Lobbyisten machen alles kaputt) letztendlich doch sehr offensichtlich vor sich herträgt, stört da gar nicht weiter – der durch seine europäische Herkunft geprägte US-Patriotismus des Schwaben stößt eben nicht ansatzweise so sauer auf wie der Hurra-Amerika-Unsinn von seinem dauerfahnenschwenkenden Kollegen Michael Bay („Pain & Gain“).
Der Blockbuster-Spezialist Emmerich holt einiges aus dem begrenzten Schauplatz des Präsidentensitzes heraus und weitet die Action dann clever räumlich aus. So gibt es nach den anfänglichen Feuergefechten in den Fluren des Weißen Hauses später unter anderem noch einen Flugzeugabsturz, den Einsatz von Kampfhubschraubern und eine im Pool endende Autoverfolgungsjagd durch den Garten. Dafür hat Emmerich die wichtigsten Zimmer und Räume sowie die Fassaden des Weißen Hauses allesamt in Studiohallen in Kanada (dazu unser Bericht vom Set) möglichst originalgetreu nachbauen lassen - nur um sie dann genüsslich mit Einschusslöchern zu übersäen. Der Vorteil: Der Großteil der Actionszenen wirkt wohltuend handgemacht und sieht dank der ungewöhnlichen, aber gerade deshalb so starken Digitalfotografie der deutschen Kamerafrau Anna Foerster („Coronado“) auch noch hervorragend aus. Einziges Manko: Die zum Glück selten eingesetzten CGI-Effekte sind teilweise richtig schlecht (so sieht etwa die Menge von Schaulustigen vor dem Weißen Haus extrem unecht aus), was bei einem 2013er-Blockbuster mit einem kolportierten Budget von mehr als 150 Millionen Dollar nun wirklich nicht sein muss.
Nachdem er mit dem ersten „G.I. Joe“-Film noch durchgerasselt ist, hat Channing Tatum („Magic Mike“, „21 Jump Street“) seine Prüfung zum Actionstar nun also doch noch bestanden: Man kann sich dagegen sträuben wie man will, aber wenn er als John Cale seine Tochter, seinen Präsidenten und sowieso die ganze freie westliche Welt zu retten versucht, dann muss man dem entwaffnend-charmanten Helden dabei einfach die Daumen drücken! Jamie Foxx (Oscar für „Ray“) macht nach seiner Rolle als Sklave in „Django Unchained“ nur ein halbes Jahr später nun auch als US-Präsident eine überzeugende Figur, wobei vor allem positiv auffällt, dass er auch in Extremsituationen immer präsidentiell bleibt und nicht einfach zu einem zweiten Action-Helden neben Tatum mutiert. Auch die Chemie zwischen beiden stimmt, wobei sich die krasse Gegensätzlichkeit der Figuren sicherlich noch pointierter hätte herausarbeiten lassen – die klassischen Buddy-Movie-Momente kommen für unseren Geschmack am Ende doch ein wenig zu kurz. Apropos zu kurz: Auch Maggie Gyllenhaal („Secretary“) hätte ruhig ein bisschen mehr zu tun bekommen dürfen, denn als Johns Verbindungsperson ins Lagezentrum bleibt ihr die meiste Zeit über kaum mehr übrig als den terroristenverprügelnden Jungs von der Seitenlinie zuzuschauen.
Fazit: Durch und durch unterhaltsames Popcornkino – da wird sich nicht einmal Präsident Obama beschweren, dass Roland Emmerich sein Zuhause nach der legendären Explosions-Szene aus „Independence Day“ nun schon zum zweiten Mal in Schutt und Asche legt!