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    Lauf Junge Lauf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Lauf Junge Lauf
    Von Christian Horn

    Nach seiner Mafia-Komödie „Basta – Rotwein oder Totsein“ widmete sich der deutsche Regisseur und Oscarpreisträger (1994 für den Besten Kurzfilm) Pepe Danquart zunächst wieder Dokumentarfilmen und inszenierte die viel beachtete Extremsport-Doku „Am Limit“ sowie das vielschichtige Politiker-Porträt „Joschka und Herr Fischer“. Mit „Lauf Junge lauf“ legt Danquart nun wieder einen Spielfilm vor. Das Kriegsdrama basiert auf der Lebensgeschichte von Yoram Friedman. Erzählt wird von einem jüdischen Jungen, der nach seiner Flucht aus dem Warschauer Ghetto quer durch Polen flüchtet. Mit viel Gefühl und Menschlichkeit dient die Odyssee des Protagonisten als Brennpunkt für ein breiter angelegtes Panorama. Vor dem Hintergrund der einschneidenden Umwälzungen des Zweiten Weltkrieges verfällt Danquart dabei nicht in plumpe Schwarzweißmalerei und schlägt nur bisweilen etwas zu pathetische Töne an.

    Im Winter 1942 flieht der neunjährige Srulik (die Zwillinge Kamil und Andrzej Tkacz wechselten sich bei der Darstellung ab) aus dem Warschauer Ghetto. Sruliks Vater erteilt seinem Sohn noch den Ratschlag, nie seine jüdischen Wurzeln zu vergessen; einen Rat, dessen Sinn der Junge alsbald am eigenen Leib begreifen muss: Mit der Flucht aus dem Judenghetto ist sein Leben nämlich keineswegs gerettet. Inmitten der Wirren des Zweiten Weltkriegs muss auch die polnische Bevölkerung ums nackte Überleben kämpfen – und auf die Denunziation flüchtiger Volksfeinde setzen die stets effektiv organisierten Nazis ein Kopfgeld aus. So trifft Srulik zwar zunächst auf eine Gruppe gleichaltriger Flüchtlinge, die im Wald leben, muss aber bald erkennen, dass nicht alle Menschen – auch nicht alle Polen – ein großes Herz haben. Glücklicherweise kann sich der Junge schließlich eine Weile bei der mitfühlenden Bäuerin Magda (Elisabeth Duda) verstecken. Doch auch diese Zuflucht ist nicht von Dauer...

    Mit dem Blick eines Dokumentarfilmers erdet Pepe Danquart seine Erzählung stets in der historischen Realität. So basiert der Film nicht nur auf einer wahren Lebensgeschichte, sondern verweigert sich weitestgehend auch jeglicher Schwarzweißmalerei. Danquart sieht das menschliche Versagen auf beiden Seiten der Medaille und scheut sich auch nicht vor unbequemen Bildern: Während einer der Nazis die Tapferkeit des flüchtigen Judenkindes respektiert, sind es oft die streng katholischen polnischen Bauern, die Srulik ins offene Messer laufen lassen. So sieht sich Srulik gezwungen, sich Jurek Staniak zu nennen, um den Anschein eines katholischen Jungen aus Polen zu erwecken und sich vor Denunziation zu schützen. Als reine Kinderseele wird Srulik gezeigt, der seine Odyssee reinen Herzens durchleidet und die Sympathien des Publikums auf sich zieht. In seiner erzählerischen Anlage erinnert er somit nicht von ungefähr an klassische literarische Figuren wie „Oliver Twist“ oder „Huckleberry Finn“.

    So überzeugend die Road Movie-Dramaturgie zwischen Momenten der Ruhe und dramatischen Zuspitzungen wechselt, so überflüssig wirken gelegentliche Rückblenden, mit denen längst verdeutlichte Sachverhalte wiederholt und der Fluss der Geschichte gestört wird. Zu den unschönen Seiten gehört auch die teils enervierende Musik von Stéphane Moucha („Das Leben der Anderen“), die als nicht enden wollender, reichlich ornamentaler Klangteppich über den gesamten Film gelegt ist. Auf diese Weise erscheinen einige der dramatischen Ereignisse, die eigentlich schon an sich Gänsehaut verursachen, allzu plump. Doch dies sind nur kleine Schwachpunkte in einem sehenswerten Kriegsdrama, in dem besonders die Darstellung der Zwillinge Andrzej und Kamil Tkacz heraussticht, die Srulik glaubwürdig und emotional ergreifend verkörpern.

    Fazit: Pepe Danquarts „Lauf Junge lauf“ ist ein insgesamt gelungenes Kriegsdrama. Der Regisseur zeigt die Schrecken des Krieges aus der Perspektive eines jüdischen Kindes – bisweilen zwar etwas pathetisch, aber nichtsdestotrotz emotional berührend.

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