Karim Ainouz erzählt in „Praia do Futuro“, der im Wettbewerb der Berlinale 2014 seine Premiere feierte, eine Romanze zwischen Brasilien und Berlin. Die Geschichte eines deutschen Ex-Soldaten, der in Brasilien einen Rettungsschwimmer kennen lernt und mit diesem nach Berlin zieht, ist dabei dramaturgisch zwar etwas zu bemüht und nicht immer überzeugend, aber das Drama ist vor allem in seiner Körperlichkeit und dem Einsatz von Orten, von Musik und Stimmungen ein authentisches Porträt globalisierter Liebe.
Ex-Soldat Konrad (Clemens Schick) verbringt mit einem guten Freund einen sehr aktiven Urlaub in Brasilien: Mit Motorrädern rast das Duo über das Land, doch am Strand findet die ausgelassene Stimmung ein Ende: Der Freund ertrinkt, Konrad wird gerade so vom Rettungsschwimmer Donato (Wagner Moura) gerettet. Während Konrad darauf wartet, dass die Leiche seines Freundes an Land geschwemmt wird, beginnt er eine heftige Affäre mit Donato. Dieser folgt ihm nach Berlin, findet sich in der fremden Umgebung aber nur schwer zu recht, vermisst seine Heimat und seine Familie, besonders den jüngeren Bruder Ayrton (Jesuita Barbosa). Ein paar Jahre später taucht der inzwischen fast erwachsene Ayrton in Berlin auf und konfrontiert Donato mit seiner Entscheidung, sich für ein Leben in Berlin und gegen seine Familie entschieden zu haben.
Karim Ainouz‘ „Praia do Futuro“ überzeugt weniger durch seine Geschichte als durch eine Atmosphäre, die bereits mit den starken Scope-Bildern beginnt: weite Strände, einzelne Masten von Windrädern, auf der Tonspur „Ghost Rider“ von Suicide. Nicht wirklich selbstmörderisch, aber doch wild und ohne Grenzen rasen Konrad und sein Freund über die Dünen, einem unbestimmten Traum hinterher. Immer wieder gibt es lange Szenen, in denen die Musik viel über die Stimmung der Figuren sagt, in denen in Clubs in Brasilien und Berlin getanzt, sich der Musik hingegeben wird, mal enthusiastisch, mal melancholisch.
Zwischen diesen Extremen bewegt sich die Liebesgeschichte von Konrad und Donato, die in Brasilien beginnt und im zweiten von drei Kapiteln in Berlin fortgesetzt wird. Ist die erzählerische Ellipse zwischen den ersten beiden Kapiteln noch stark und nachvollziehbar, ist der Sprung zum dritten Abschnitt die dramaturgische Krux des Films, der ihm viel seiner Kraft und Überzeugung nimmt. Auf einmal taucht da Ayrton in Berlin auf, nach Jahren ohne Kontakt zu seinem älteren Bruder Donato. Dass er hier so plötzlich vor Ort auftaucht, wirkt erzwungen und rein dem dramaturgischen Effekt geschuldet. Warum über die Jahre weder via Internet noch Telefon Kontakt gehalten wurde, obwohl die Brüder im ersten Teil so ein gutes Verhältnis zueinander haben, bleibt wie manches andere offen.
Mehr behauptend als überzeugend ist zudem die Charakterisierung der Figuren. Clemens Schick („Hotel Desire“) und Wagner Moura („Tropa de Elite“) überspielen dies mit großer Körperlichkeit. Immer wieder verharrt die Kamera auf den nackten oder halbnackten Körpern der Männer, zeigt sie beim Sex oder beim Schwimmen oder einfach beim Rauchen oder Tanzen - direkt, ohne voyeuristisch zu sein, ganz intim und sehr emotional. Eine mitreißende Atmosphäre erzeugt Karim Ainouz auf diese Weise. Er deutet viel an, macht so die Passion, die intensive Liebe, für die man willens ist, viel, vielleicht alles aufzugeben, erlebbar. Wäre ihm daneben auch noch die Ausgestaltung der Figuren selbst etwas besser gelungen, wäre nicht zu vieles in seiner Geschichte nur Behauptung, „Praia do Futuro“ wäre richtig stark und nicht nur ein guter Film.
Fazit: Mit seinem Liebesdrama „Praia do Futuro“ gelingt Karim Ainouz ein stimmungsvoller, wenn auch dramaturgisch etwas zu konstruierter Film, der von überzeugenden Darstellern und einer bemerkenswerten Körperlichkeit lebt.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.