„Wohnst du noch oder lebst du schon?“ – Mit dieser Botschaft warb eine schwedische Möbelhauskette in den vergangenen Jahren um Kundschaft. In Marina de Vans übernatürlichem Horror-Thriller „Dark Touch“, der schon 2013 auf zahlreichen Filmfestivals lief und erst mit dreijähriger Verspätung seine Heimkinopremiere in Deutschland feiert, wird genau umgekehrt ein Schuh draus: „Wohnst du schon, und wenn ja: Lebst du noch?“ könnte der Untertitel der französisch-irisch-schwedischen Co-Produktion lauten, denn scharfkantige Einrichtungsgegenstände, heimtückische Möbelstücke und spitze Küchenutensilien sorgen hier für eine stattliche Anzahl an Todesfällen. Was nach einer eher plumpen Abwandlung der beliebten „Final Destination“-Reihe oder humorvoll angehauchtem Trash im Stile von „Sharknado“ & Co. klingen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ambitioniertes Haunted-House-Movie mit Anleihen bei klassischen „Evil Child“-Filmen und hohem Drama-Anteil: Die Geschichte verliert in „Dark Touch“ nie die Bodenhaftung, doch Gänsehautmomente und knisternde Horror-Atmosphäre sucht man über weite Strecken vergeblich.
Als die Polizei in einem Landhaus in der irischen Provinz eintrifft, ist die elfjährige Neve (Missy Keating) die einzige Überlebende eines grauenhaften Massakers: Im Haus werden die Leichen ihrer Eltern und ihres kleinen Bruders gefunden. Was ist geschehen? Das verstörte Mädchen gibt den Ordnungshütern eine bizarre Geschichte zu Protokoll: Sie berichtet von einer düsteren, geisterartigen Präsenz, die für das Ableben ihrer Familie verantwortlich sei. Eine besondere Rolle spielt dabei die Wohnungseinrichtung, die sich in der Nacht offenbar selbstständig gemacht und die Todesfälle herbeigeführt hat. Während die Ermittlungen ins Leere laufen, begibt sich Neve in die Behandlung der einfühlsamen Psychiaterin Tanya Collins (Charlotte Flyvholm) und wird von einer befreundeten Nachbarsfamilie aufgenommen: Nat Galin (Marcella Plunkett) und ihr Mann Lucas (Padraic Delaney) kümmern sich rührend um die Kleine, und auch bei ihren Kindern Ryan (Robert Donnelly) und Lucy (Susie Power) ist Neve willkommen. Doch der Spuk hört nicht auf: Schon bald entwickeln auch die Schubladen und Tische im Haus der Galins ein mysteriöses Eigenleben...
Strömender Regen und eine finstere Nacht, knarrende Türen in einem abgelegenen Landhaus, schummeriges Zwielicht und ein schreiendes Baby: Schon in der Eröffnungssequenz greift Regisseurin und Drehbuchautorin Marina de Van („Don't look back – Schatten der Vergangenheit“) auf beliebte Standardmomente und typische Versatzstücke des Haunted-House-Horrors zurück. Die französische Filmemacherin, die vor Jahren unter anderem an den Büchern zu François Ozons „8 Frauen“ und „Unter dem Sand“ mitschrieb, weiß um die erfolgserprobten Kniffe des Genres und schafft mit vergleichsweise simplen Mitteln eine gelungene Exposition. Mit dem Tod von Neves Familie platziert sie die blutrünstigste und spektakulärste Sequenz allerdings gleich zu Beginn, und auch aufgrund des schmalen Budgets ist eine Steigerung im Anschluss kaum noch möglich. So verliert „Dark Touch“ recht schnell an Reiz, denn das offenbar telekinetisch herbeigeführte Eigenleben der Möbelstücke wirkt auf Dauer immer weniger furchteinflößend.
Während die Nebenfiguren nur schablonenhaft skizziert werden, ist das Schicksal der elfjährigen Neve die Antriebsfeder der Geschichte: Welche traumatischen Erlebnisse musste das Mädchen vor dem brutalen Tod seiner Eltern erleiden? Bis zum Schluss hält Marina de Van diese Frage offen – wer die deutlichen Hinweise auf dem Weg zum großen Finale richtig zusammensetzt, erlebt beim Showdown allerdings keine große Überraschung. Und so fällt auch die Hauptfigur dieses Horror-Thrillers letztlich nicht besonders denkwürdig aus: Die junge Missy Keating („The Sea“), Tochter des irischen Musikers und Ex-„Boyzone“-Sängers Ronan Keating, liefert als undurchsichtige Gruseltochter zwar eine souveräne Darbietung, bleibt trotz einiger guter Szenen aber bei weitem nicht so nachhaltig in Erinnerung wie ihre Vorgänger in berühmten „Evil Child“-Filmen à la „Das Omen“ oder „Der Exorzist“. Damit ist „Dark Touch“ trotz einiger guter Ansätze unter dem Strich nicht mehr als ein durchschnittlicher Horror-Thriller nach altbewährtem Rezept.
Fazit: Marina de Van liefert mit „Dark Touch“ einen handwerklich soliden Horror-Thriller ab, in dem die echten Schockmomente nach einem effektiven Beginn allerdings ausbleiben.