Kann man aus einem sehr guten Film einen noch besseren machen? Man kann. Zumindest, wenn man David Fincher heißt, sich Niels Arden Oplevs schwedisches Original „Verblendung" vorknöpft und daraus das oscarprämierte US-Remake mit Daniel Craig und Rooney Mara zaubert. An ein ganz ähnliches Unterfangen wagt sich nun Finchers spanischer Kollege Luis Prieto: Auch er recycelt mit seiner Neuauflage von „Pusher" eine erfolgreiche skandinavische Thriller-Vorlage, die ebenfalls der Auftakt einer Trilogie ist. Prieto versucht sich also an dem Stoff, mit dem Regie-Shootingstar Nicolas Winding Refn 1996 in Dänemark sein vielbeachtetes Debüt als Regisseur und Drehbuchautor feierte. Doch während Fincher bei seiner Neuverfilmung die Stärken der schwedischen Romanadaption beibehielt und Oplevs Vorlage mit seiner stilsicheren Regie gewissermaßen perfektionierte, liegt der Fall bei „Pusher" etwas anders: Prieto tilgt die unverwechselbare, beklemmend realistische Low-Budget-Atmosphäre von Refns Film, stilisiert seinen Drogenthriller zum formvollendet-kühlen Adrenalintrip und erzählt die Geschichte ansonsten fast unverändert nach. Das macht zwar immer noch großen Spaß, reicht unter dem Strich aber nicht ganz an das großartige dänische Original heran.
Dealer Frank (Richard Coyle) ist dick im Geschäft: Gemeinsam mit seinem Partner Tony (Bronson Webb) scheffelt er in der Londoner Drogenszene reichlich Kohle, denn über mangelnde Kundschaft kann er sich wahrlich nicht beklagen. Als sich aber nach einem geplatzten Deal die Cops an seine Fersen heften und er seine heiße Ware kurzerhand im Fluss versenken muss, bringt ihn das in arge Schwierigkeiten: Sein skrupelloser Boss Milo (Zlatko Buric) fordert nämlich – aller langjährigen Freundschaft unter Verbrechern zum Trotz – sofortigen Bargeld-Ersatz für das verlorengegangene Drogenpaket. Da mit dem Unterweltmogul, der Frank sogleich seinen brutalen Schläger Hakan (Mem Ferda) auf den Hals hetzt, nicht zu spaßen ist, muss der Pechvogel nun binnen weniger Stunden unbedingt das nötige Kleingeld auftreiben. Frank ist dabei ganz auf sich allein gestellt, denn seinen Kumpel Tony hat er vor lauter Wut krankenhausreif geschlagen...
Kritikerliebling Nicolas Windig Refn, der mit dem elektrisierenden Cannes-Preisträger „Drive" einen der coolsten Thriller der vergangenen Jahre inszenierte, drehte seinen Erstling „Pusher" einst mit einer einfachen Handkamera. Trotz des winzigen Produktionsbudgets von 780.000 Euro schuf der damals 26-jährige Däne einen der bemerkenswertesten skandinavischen Thriller und verhalf außerdem noch dem späteren Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen („Casino Royale") zum Durchbruch auf der Leinwand. Von der spartanischen Ausstattung, der tristen Kopenhagener Unterweltkulisse und der zurückhaltenden Kameraführung ist in Pietros Remake wenig geblieben: Der Spanier motzt die Vorlage zu einem hippen Großstadtthriller in greller Videoclip-Ästhetik auf, peitscht Frank zu aggressiven House- und Electro-Beats durchs nächtliche London und legt dabei ein atemberaubendes Schnitt- und Erzähltempo vor.
Auch ohne protzige Heckspoiler und glitzernde Chromfelgen wirkt dieser neue „Pusher" zuweilen, als hätte hier die populäre „The Fast and the Furious"-Reihe Pate gestanden, denn Prieto legt im Vergleich zum Original und dessen zwei stilechten Fortsetzungen immer noch eine Schippe drauf. Besonders deutlich wird das vor allem in seiner Variation der Sequenz, in der Frank seinen eigenen Waffenhändler um Wumme und Zaster erleichtert: Während Refns Dealer die Angelegenheit in einer menschenleeren Umkleidekabine schnellstmöglich und ohne Aufsehen hinter sich bringen will, sprengt Frank im Remake kurzerhand eine proppenvolle Party und erleichtert die aufgebrezelten Gäste im Scheinwerferlicht des Szeneclubs mit zwei vorgehaltenen Kanonen um Geld und Wertsachen. Spannender wird die Sequenz dadurch nicht und wer an Refns Originaltrilogie vor allen den authentisch-rauen Erzählton und den reduzierten Stil mag, der wird hier weniger auf seine Kosten kommen.
Dennoch hat Prietos Remake viele Qualitäten. Mit der Verpflichtung von Zlatko Buric („Bleeder"), der für seine Leistung im Original-„Pusher" einst mit dem renommierten dänischen Filmpreis Bodil ausgezeichnet wurde und in „Pusher III" dann mit der wohlverdienten Hauptrolle belohnt wurde, gelingt Pietro ein echter Besetzungscoup. Einmal mehr spielt der gebürtige Kroate, der durch seine Rolle als schwerreicher Russe in Roland Emmerichs „2012" auch international bekannt wurde, den serbischen Drogenboss und darf seine mittlerweile sechzehn Jahre zurückliegende Originalrolle einleitend herrlich persiflieren. Die Anspielungen auf Milos mangelndes Kochtalent, das sich in „Pusher III" entscheidend auf den Handlungsverlauf auswirkt, weichen aber schnell dem knallharten Tagesgeschäft, bei dem Buric den sichtbar gealterten, doch nicht minder eiskalten Drogenboss Milo mit brachialer Entschlossenheit und vereinnahmendem Witz auf die Leinwand bringt.
Eine ganz so hypnotische Leinwandpräsenz entfaltet Hauptdarsteller Richard Coyle („Prince Of Persia – Der Sand der Zeit") zwar nicht, dennoch füllt er seine Rolle überzeugend aus: Seine Neuinterpretation des gejagten Dealers wirkt weit weniger besonnen als die von Kim Bodnia („In China essen sie Hunde") verkörperte Originalfigur. Frank 2012 ist ein extrovertierter, am Ende fast unberechenbarer Irrer, der bei seinem Wettlauf gegen die Zeit keine Gefangenen macht. Sein ausgeflippter Partner Tony, herrlich überzeichnet von Bronson Webb („Königreich der Himmel"), sieht mit seiner wuscheligen Langhaarfrisur ziemlich schräg aus, erfüllt im Remake aber eher eine Sidekick-Funktion und wirkt ansonsten – ganz anders als einst Mads Mikkelsens auffällig tätowierter Glatzkopf-Hüne – so bedrohlich wie ein frisch konfirmierter Gymnasiast im Sonntagsanzug. Seine beste Szene ist die folgenschwere nächtliche Begegnung mit einem vollbusigen Objekt der Begierde, das seine Handykamera leider schneller zückt, als dem kleinkriminellen Sprücheklopfer lieb sein kann.
Fazit: Faster, harder, „Pusher"! Luis Prieto macht bei seinem britischen Remake des dänischen Kultfilms keine Kompromisse. Mit seinem adrenalinschwangeren Drogenthriller erreicht er zwar nicht die Brillanz von Nicholas Winding Refns herbem Original, legt aber ein atemberaubendes Tempo vor und punktet darüber hinaus mit einem wuchtigen Soundtrack.