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    Hemel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Hemel
    Von Thilo Podann

    „Sex sells!“ lautet eine altbewährte Verkaufsstrategie, die aber schon manches Mal so in den Vordergrund gerückt wurde, dass die inhaltliche Substanz (und damit die filmische Qualität) hinter den nackten Tatsachen verschwand. Doch es geht auch anders, wie 2013 bereits die gelungene Adaption von Charlotte Roches Debütroman „Feuchtgebiete“ zeigte. Hier steckte hinter der Fassade auch genügend erzählerisches Profil: Regisseur David Wnendt fand bei dem auf den ersten Blick schmuddelig wirkenden (und teilweise vorschnell verurteilten) Drama die richtige Balance zwischen reiner Provokation und anspruchsvollen Themen – gepaart mit stylishen Bildern und einer überraschenden Prise Gefühl. Im Fahrwasser dieses Erfolgs startet nun auch das niederländische Drama „Hemel“ von Sacha Polak, das bereits auf der Berlinale 2012 gezeigt wurde, in den deutschen Kinos. An die themenverwandten „Feuchtgebiete“ reicht die zu episodenhaft erzählte Gesichte aber nicht heran.

    Hemels (Hannah Hoekstra) Leben ist wild. Die junge Frau trinkt, feiert, provoziert und landet fast jede Nacht im Bett eines Anderen. Sex ist ihr Lebensinhalt, feste Bindungen sind ihr ein Gräuel. Und auch ihr Vater Gijs (Hans Dagelet) ist nach dem Tod von Hemels Mutter nicht mehr in der Lage eine langfristige Beziehung zu führen. Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter ist eng und vertraulich, doch als sich Gijs ernsthaft in Sophie (Rifka Lodeizen) verliebt, kann Hemel ihre Eifersucht nicht unterdrücken und flüchtet sich in eine Affäre mit einem Freund ihres Vaters.

    Hemel bedeutet im Niederländischen Himmel. Dass sich die gleichnamige Hauptfigur vollkommen konträr zum eigenen Namen verhält und nahezu allen Sünden der Unterwelt frönt, ist dabei nur einer von vielen plakativen Gegensätzen. Regisseurin Sacha Polak („Brother“) beleuchtet in ihrem episodenhaft erzählten Film in einzelnen kurzen Segmenten das ausschweifende Leben der jungen Frau. Die klar getrennten und separat betitelten Abschnitte wirken wie Puzzleteile, die es dem Zuschauer ermöglichen sollen, sich den Charakter der Titelfigur Stück für Stück zu erschließen. Dennoch bleibt Hemel mit all ihren Facetten auch zum Ende des Films eine eher nebulöse Gestalt.

    Für Reibungspunkte sorgt neben Hemels ausschweifendem Sexleben vor allem ihr Vaterkomplex. So nahe und intim ist das Verhältnis zwischen Hemel und ihrem Vater, dass in einigen Szenen gar eine inzestuöse Spannung in der Luft liegt – ein Pfad, den Regisseurin Sacha Polak aber nicht weiterverfolgt. Die Verweise zum so genannten Elektrakomplex – das Pendant zum Ödipuskomplex – sind dennoch so zahlreich gestreut, dass Jung und Freud ihren Spaß an dem Film gehabt hätten. Besonders eine Szene sticht hervor: Als Gijs seiner Tochter klar macht, dass sie ‚nur’ seine Tochter ist und Sophie seine Freundin, verfällt das fragile Mädchen in kindliche Muster und offenbart ihr brüchiges Seelenleben.

    Solche gekonnten dramatischen Szenen bilden allerdings die Ausnahme, meist bleibt das Drama mit seiner moralischen Unbefangenheit nur an der Oberfläche. Die Motive Hemels werden zu häufig auf ihre nymphomanische Ader reduziert und lassen die viel interessanteren psychoanalytischen Aspekte meist außen vor. Die Bildsprache Polaks erscheint dabei häufig zu stark akzentuiert und lässt dem Zuschauer kaum Raum, sich selbst ein Urteil zu bilden. Exzellent dagegen ist Hauptdarstellerin Hannah Hoekstra („App“), die mit vollem Körpereinsatz agiert und auch in schwierigen Szenen vollauf überzeugt.

    Fazit: Sacha Polak beschäftigt sich in ihrem schnörkellosen Drama „Hemel“ auf unterhaltsame, wenngleich etwas schematische Weise mit dem kontroversen Thema des Vaterkomplexes. Für wirklich aufwühlend-provokantes Gefühlskino in den Fußstapfen von „Feuchtgebiete“ fehlt es der episodenhaften Erzählung aber schlussendlich an Substanz und Tiefgang.

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