Es ist noch nicht lange her, dass Til Schweiger und Tochter Emma mit „Kokowääh" ein Millionenpublikum mobilisierten. Der Aufmacher war simpel, nicht neu, aber dennoch erfolgreich: Plötzlich steht die achtjährige Magdalena vor Tür ihres unwissenden Vaters und verkündet ihm, dass sie seine Tochter sei, er müsse sich nun um sie kümmern. Hieraus resultieren eine Reihe komischer Situationen, bis die beiden sich einander nähern und zueinander finden. Mit „Ich reise allein" bringt der Norweger Stian Kristiansen nun eine Komödie ins Kino, deren Thematik zwar sehr ähnlich, aber dennoch wunderbar klischeefrei und sehr spaßig inszeniert ist.
Durch einen Brief erfährt der Literaturstudent Jarle (Rolf Kristian Larsen) im Sommer 1997 überraschend von seiner siebenjährigen Tochter Charlotte Isabel (Amina Eleonora Bergrem), um die er sich die nächste Woche über anstelle der gestressten Mutter kümmern soll. Auch ihren Geburtstag soll sie mit dem partylustigen Studenten verbringen. Ohne viel Vorbereitungszeit trifft Lotte in seiner schmuddeligen Bude ein, wo sie in einem zugestellten Zimmer auf dem Fußboden schlafen soll. Jenseits von Marcel Proust fällt dem Akademiker nichts ein, worüber er sich mit seiner Tochter unterhalten könnte, die indessen fasziniert Prinzessin Dianas Beerdigung im Fernsehen verfolgt. Mit so einer konstruierten „Massenemotionalität" kann Jarle sich nicht anfreunden und auch dass die Mutter seiner Tochter als Kassiererin arbeitet, findet der Intellektuelle schlichtweg proletarisch. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten wie einer komplett durchzechten Nacht kommt es, wie es kommen muss: Vater und Tochter nähern sich einander an. Und als dann auch noch Lottes Mutter Anette (Marte Opstad) zur Geburtstagsfeier erscheint, sieht es fast so aus, als wäre die Familie erstmals vereint...
„Ich reise allein" ist ein durchweg realistisch inszenierter Film, der zwar als Komödie durchgeht, aber dennoch keinerlei flache Witze aufweist, sondern glaubwürdig bleibt und mit vielschichtigen Figuren überzeugt. Ähnlich wie bei „Kokowääh" steht und fällt auch dieser Film mit der Ausdrucksstärke der Kinderdarstellerin – und die bezaubernde Amina Eleonara Bergrem überzeugt auf ganzer Linie. Rolf Kristian Larsen ist die Rolle des liberalen Studenten derweil wie auf den Leib geschrieben. Zusätzlich zu den Hauptdarstellern überzeugen auch die passend besetzten Nebendarsteller. Jarles Mutter Sara (Trine Wiggen), die ihrem Sohn und der Enkeltochter helfend zur Seite steht und mit Ausflügen, Gedenkkerzen für Diana und anständigen Mahlzeiten zur Bindung beiträgt, wirkt genauso authentisch wie Jarles Studienkollege Hasse (Pål Sverre Valheim Hagen), den Lottes plötzliches Erscheinen zum Philosophieren über die Macht der Biologie anregt.
Nachdem Lottes Mutter erscheint und alles nach einem Hollywood-typischen Happy End aussieht, reißt Kristiansen auch hier noch einmal das Ruder Richtung Realität herum: Dieses Finale ist keineswegs glattgebügelt und wirkt dadurch umso befriedigender und lebensnäher. „Ich reise allein" ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch überdurchschnittlich gut geschrieben und inszeniert. Unterlegt mit Indie-Musik und zeitgeschichtlichen Ereignissen und verfeinert mit Anekdoten aus Literatur und Philosophie, ist der Film darüber hinaus auch noch ausgesprochen abwechslungsreich und keineswegs so überraschungsarm, wie es der unvermeidliche Vergleich mit „Kokowääh" nahelegt.
Fazit: „Ich reise alleine" ist die etwas andere Familiengeschichte - mit sympathischen Figuren und frei von überzogener Komik oder Hollywood-Klischees. Kurz: ein Vergnügen für die ganze eigene Familie.