Na dann wollen wir mal auf hohem Niveau meckern. Vorab vielleicht noch der Hinweis, ich bin jetzt nicht zwingend DER Elton John-Fan, aber als Ü50 Fraktion hat einen die Musik halt begleitet und ja, es gibt nicht wenige Songs wo ich sagen muss: "wie geil ist das denn", und ja, sein Konzert 1995 für 60 DM in der Berliner Waldbühne hat mich begeistert. Man gewöhnt sich halt an alles, aber das würde ihm natürlich nicht gerecht werden. Schließlich reden wir hier von 50 Jahren Musikgeschichte, da sind halt tolle Songs und auch ne ganze Menge Mist bei rum gekommen.
Leider konzentriert sich das Biopic über "Rocketman", wie ich finde, größtenteils auf seine Kindheit, die musikalischen Anfänge, die ersten Erfolge, seinem persönlichen Kampf mit seiner sexuellen Orientierung und den langsam aber kontinuierlich voranschreitenden gesundheitlichen Absturz. Das finde ich schade, spätestens nach 70/ 80 Minuten merkt man nämlich, das der ganzen Biographie die Zeit ausgeht und es beginnen sich, meines Erachtens zeitlich Ungereimtheiten einzuschleichen und, wie ich finde, doch nicht unerhebliche Meilensteine in Elton Johns Karriere werden einfach so ignoriert.
Meines Wissens nach ist Elton John erst 1990 in den Entzug gegangen (von alleine, dafür schon mal Hut ab!), vorher allerdings war er der erste westliche Pop-Künstler der in der Sowjetunion aufgetreten ist (1979). 1985 sang er mit Dionne Warwick, Stevie Wonder und Gladys Knight als "Dionne & Friends "That's What Friends Are For" ein, ebenso war er 1985 bei "Live Aid" dabei. 1987 musste er sich einer Kehlkopf-OP unterziehen und danach das Singen wieder erlernen. All dies sind so Sachen, die überhaupt keine Rolle in "Rocketman" spielen. Auch seine enge Freundschaft zu Freddie Mercury wird mit keiner Silbe erwähnt. Die "Ehe" mit Renate Blauel spielt nur ganz kurz eine Rolle, dauerte doch aber immerhin 4 Jahre. Seinen Manager John Reid hatte er noch bis 1998 an der Backe und auch sein langjähriger Begleiter, der Session-Musiker Ray Cooper (u.a. für die Stones und Pink Floyd unterwegs) wird nicht einmal als selbiger erwähnt. Also vieles, was die Hardcore-Fans dann doch verärgern könnte. Verwundert mich um so mehr, da Elton John ja wohl zugegen war und doch auch ein gewisses Mitspracherecht gehabt haben soll. Ich bin letztendlich auch der Meinung, dass man das Film-Ende gar noch bis zu seinem legendären Auftritt 1991 mit George Michael ("I Won't Let the Sun Go Down on Me") hätte schieben können. Wie gesagt, meckern auf hohem Niveau, der Film ist schon Klasse und man kommt auch locker bis zum Ende. Vielleicht hebt man sich den Rest ja für eine Fortsetzung auf, letztendlich hat der Film ja über 200 Mio.$ eingespielt und mir fallen da auf Anhieb noch ne ganze Menge Sachen ein, die man da dann reinpacken kann.
Unbedingt erwähnen muss man noch, Taron Egerton spielt das sensationell, Golden Globe absolut verdient, für den Oscar leider nicht einmal nominiert, aber die Oscar-Nominierungen und -Gewinner sind ja eh so ein Thema für sich. Jamie Bell als Bernie Taupin auch top, das war's dann aber an bemerkenswerten Schauspiel. Fazit: Sollte man sich ansehen, "Bohemian Rhabsody" zweifelsohne besser, aber letztendlich ist das ja meine subjektive Meinung