Der Blade Runner hat mich schon bei der Erstveröffentlichung 1982 fasziniert und zutiefst beeindruckt. Ich habe den Film bestimmt schon 20 Jahre nicht mehr gesehen und mich mal wieder darauf eingelassen. Um ehrlich zu sein war ich ein bißchen nervös, weil man die Zeit nicht zurückholen kann und vielleicht auch nicht die magischen Momente der kompletten Überwältigung, die ich als junger Mensch im Kino empfunden habe, als Blade Runner mich mit seiner visionären Bilderflut, seiner ergreifenden Geschichte und seiner faszinierenden Mehrdeutigkeit schier aus dem Kinosessel gehoben hat.
Aber meine Nervosität war unbegründet. Der Film hat die 40 Jahre seit seinem Entstehen völlig unbeschadet überstanden und nichts, aber auch gar nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt. Von der ersten bis zur letzten Minute bin ich gebannt dem Blade Runner Rick Deckard (Harrison Ford) auf der Jagd nach vier abtrünnigen Repilkanten auf Schritt und Tritt gefolgt. Wieder schwebte die Frage wo menschliches Leben beginnt, ab welchem Punkt oder ob überhaupt wir künstliche Intelligenz zu respektieren haben, unsichtbar im Raum. Wieder war ich zu Tränen gerührt als Roy Batty (Rutger Hauer), die Führungsfigur der abtrünnigen Replikanten, Deckard am Ende der Jagd das Leben rettet, das ihm selbst nicht länger vergönnt ist.
„I‘ve seen things, you people wouldn‘t believe. All those moments will be lost in time, like tears in the rain. Time to die“. Die letzten Worte des Roy Batty, bevor seine eingebaute Programmierung sein Leben beendet, haben sich für immer in mein Gehirn eingebrannt. Diese Szene gehört für mich zu den ergreifendsten Filmszenen aller Zeiten.
Es war zudem ein fast schon erotisches Erlebnis der besonderen Art, die wundervolle Sean Young als Replikantin Rachel wiederzusehen. Ihre traurigen Augen im Moment der Erkenntnis, dass sie kein Mensch sondern ein künstliches Wesen ist, setzen ihrem stylisch-lasziven Auftreten eine wunderschöne menschlche Krone auf. Ich habe mir immer schon gewünscht, einfach in den Film eintauchen zu können, um Rachel in den Arm nehmen zu können und ihr ins Ohr zu flüstern, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Vielleicht nur, um ihr, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ein Lächeln in ihr tieftrauriges, wunderschönes Gesicht zu zaubern.
Daryl Hannah als Replikantin Pris und Joanna Cassidy als Replikantin Zhora sind umwerfend in ihren Rollen. Die Sequenzen, in denen sie auf Deckard treffen, der sie schließlich in den Ruhestand versetzt, sind perfektes Action-Kino. Da stockt mir nach wie vor der Atem.
Das dystopische Los Angeles, in dem der Film angesiedelt ist, sucht heute noch seinesgleichen. Unglaublich was Meister-Regisseur Ridley Scott bereits 1982 mit damals noch bescheidenen technischen Möglichkeiten auf die Beine gestellt hat, um dieses düstere Science-Fiction Szenario auf die Leinwand zu bringen. Visionär, wie er 1979 in Alien und schließlich 1982 in Blade Runner das Antlitz des Science Fiction Films nahezu komplett verändert hat. Schluss mit kleinen grünen Männchen hin zu erschreckenden Zukunftsvisionen, die genau dann eintreten werden, wenn der Mensch es nicht schafft, sich eines Besseren zu besinnen.
Über all dem schwebt sie wunderbare Filmmusik von Vangelis, die dem Film dann endgültig einen nahezu majestätischen Stempel aufdrückt. Selten wurde ein Film durch seine musikalische Untermalung derart entscheidend mitgeprägt. Ohne die wunderschöenen, sphärischen Klänge im Hintergrund, wäre Blade Runner nicht nur ein wenig weniger eindrucksvoll.
Bleibt am Ende die Frage ob auch Deckard ein Replikant oder ein Mensch ist. Ein Geheimnis, das bis heute nicht wirklich gelüftet ist. Es bleibt uns überlassen, was wir glauben wollen und aus welcher Perspektive wir das Ganze betrachten.
Der Final Cut von Blade Runner lässt allen Spekulationen freien Lauf und gefällt mir aus dem Grund besser, als die Original-Version oder der Jahre später folgende Directors Cut. Blade Runner verdient ein offenes Ende, um unsere Phantasie auch lange nach Verlassen des Kinos zu beflügeln.
Geschmäcker sind nun mal verschieden. Für mich war, ist und bleibt Blade Runner einer der spannendsten, schönsten und faszinierendsten Filme, die jemals gedreht wurden. Ein absoluter Glücksfall.