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    Frisch gepresst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Frisch gepresst
    Von Christoph Petersen

    Ich selbst habe das Buch „Frisch gepresst" von Susanne Fröhlich nicht gelesen. Aber natürlich recherchiert man erst mal, bevor es mit dem Schreiben der Kritik losgeht. Laut Amazon handelt der Roman von fünf Tagen im Leben einer jungen Mutter und räumt mit dem Mythos auf, dass die Geburt des Kindes die schönste Erfahrung im Leben einer Frau sei. Stattdessen ist das Leben im Krankenhaus eher seltsam und die Schwester hat einen Oberlippenbart. Die Protagonistin Andrea Schmitt kommentiert den Irrsinn um sich herum mit viel Ironie und Amazon-Top-1000-Rezensentin Nika Roama lobt, dass das Buch „ohne jegliches romantisch verklärtes Gedöns" auskommt. Nach diesen Infos würde ich mir eine Kino-Adaption von „Frisch gepresst" gerne ansehen. Aber Christine Hartmanns („Hanni und Nanni") Verfilmung ist nur sehr lose an den Roman angelehnt, was schon dadurch deutlich wird, dass der Film mit der Geburt endet statt beginnt – und natürlich geht es hier eher kurz und schmerzlos zu, so wird das Ganze plötzlich doch wieder zu einer schönen Erfahrung. Auch darüber hinaus hat die Andrea Schmitt aus dem Film nur wenig mit der aus dem Buch gemein, denn statt die Dinge geradeheraus beim Namen zu nennen, schlittert sie hilflos von einer Peinlichkeit in die nächste. Und „romantisch verklärtes Gedöns" gibt‘s im Film jetzt auch wieder reichlich.

    Modedesignerin Andrea Schmitt (Diana Amft) ist Mitte 30, betreibt ein Geschäft für maßgeschneiderte Dessous, steht kurz vor der Pleite und hält es mit Ex-Oasis-Frontmann Noel Gallagher, wenn es um den Nachwuchs geht: „Kinder sind Arschlöcher. Ich muss es wissen, ich war selbst mal eins." Doch dann wird Andrea nicht nur ungewollt schwanger, sie weiß zunächst noch nicht einmal, wer denn eigentlich der Vater ist. Zum einen gibt es da ihren Jugendschwarm Gregor (Alexander Beyer), inzwischen Vorzeige-Yuppie mit stylischem Loft und riesiger Orangensaftpresse, mit dem sie nach einem für sie peinlichen Abend bei einem Boxkampf abgestürzt ist. Viel lieber wäre es Andrea allerdings, wenn der zuvorkommende Rechtsanwalt Chris (Tom Wlaschiha), der großzügig darüber hinweggesehen hat, dass sie die selbstgemachte Lasagne bei ihrem ersten Date in Wahrheit von einem Lieferservice hat bringen lassen, der Vater wäre...

    „Ihr bekommt die Kinder und der Mann die Rechnung!" - Das ist schon ein ziemlich flacher Spruch, der hier der Yuppie-Figur in den Mund gelegt wird, um ihre Einstellung zu Familie & Co. zu zementieren. Aber mit einem Blick hinüber zum zweiten Vielleicht-Vater wird klar, dass Alexander Beyer („Die Wanderhure", „Good Bye, Lenin!") als Gregor sogar noch Glück gehabt hat. Denn Tom Wlaschiha („Krabat") muss sich als Chris beim ersten Date tatsächlich als Anwalt vorstellen, der hauptsächlich „gemeinnützige Organisationen und Menschen mit Migrationshintergrund" vertritt. Solch einen Satz mag man als Platzhalter in die erste Drehbuchfassung schreiben, um ihn später durch eine subtilere Umschreibung zu ersetzen, aber in seiner arg gekünstelten Ur-Form raubt er der Figur von vornherein jede Glaubwürdigkeit. Aber mit der Art, wie reale Menschen heutzutage miteinander reden, hat „Frisch gepresst" ohnehin wenig zu tun: Als Andreas beste Freundin Sabine (Jule Ronstedt), ebenfalls in den 30ern, einen jungen Praktikanten anbaggert, lässt der sie mit dem Spruch abblitzen: „Haltet die Hörner steif, Muttis." Die dem Roman zugeschriebene ironisch zugespitzte Wirklichkeitsnähe scheint dem eigentlich im Genre-Bereich beheimateten Drehbuchautor Dirk Ahner („Seven Days to Live", „Mord ist mein Geschäft, Liebling") bei seinem ersten Ausflug ins Romantikfach jedenfalls vollkommen abzugehen.

    Wie schon angedeutet, ist Andrea Schmidt im Film keine schlagfertige Neu-Mama, sondern eine für romantische Komödien typische Heldin, die die Peinlichkeiten wie ein Magnet anzieht und ohne Mann an ihrer Seite ziemlich verloren wirkt. Wie eine Kölner Bridget Jones muss sie sich zwischen einem frauenvernaschenden Yuppie (Alexander Beyer = Hugh Grant) und einem soliden Familienmenschen (Tom Wlaschiha = Colin Firth) entscheiden. Regisseurin Christine Hartmann druckst nicht lange um diese Parallelen herum, sondern spielt mit einem Miederschlüpfer-Gag sogar selbstbewusst auf das britische Vorbild an. Außerdem haben wir zu viele Folgen von „Doctor's Diary" gesehen, um Diana Amft nicht zuzutrauen, mit der selbstironischen Natürlichkeit einer Renée Zellweger mitzuhalten. Doch nach dem eröffnenden Noel-Gallagher-Zitat kommt auch aus ihr kein Satz mehr raus, der auch nur halbwegs so klingt, als könnte er tatsächlich von einem realen Menschen stammen.

    Am Ende funktioniert allein das Product-Placement (bei einer Schwangeren-Komödie mit Frauen um die 30 als Haupt-Zielgruppe kann das Gold wert sein) richtig gut und sorgt auf ganz andere Art dafür, dass hier doch einmal die Wirklichkeit Einzug hält. Aber für die in den Film integrierte Werbung muss niemand ins Kino gehen, die könnt ihr auch von uns haben: Nachdem wir die Packung von HiPP Bio Combiotic® im Film ausgiebig begutachten konnten, müssen wir zugeben, dass sie schön bunt ist - selbst wenn wir erst per Google-Recherche herausgefunden haben, dass es sich bei dem Produkt nicht wie zunächst vermutet um eine Baby-Creme, sondern um einen Muttermilch-Ersatz handelt.

    Fazit: Diana Amft bemüht sich redlich, als deutsche Bridget Jones mit ihrer natürlichen Art gegen das klischeehafte Drehbuch und die uninspirierte Regie anzuspielen. Doch ihre Anstrengungen bleiben weitgehend erfolglos.

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