Chillerama
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
4,0
stark
Chillerama
Von Jan-Thilo Caesar

Mit dem Prädikat „Ein Film von Fans für Fans" haben sich schon etliche Filmemacher gerühmt, um dann mit Machwerken wie „Aliens Vs. Predator 2" oder „Terminator: Die Erlösung" zu enttäuschen. Das Regiegespann aus Adam Green („Frozen"), Tim Sullivan („2001 Maniacs"), Joe Lynch („Wrong Turn 2") und Adam Rifkin („Detroit Rock City") hält nun ausnahmsweise Wort. Zwei Jahre haben die bekennenden Trash-Liebhaber mit viel Herzblut an „Chillerama" gearbeitet, herausgekommen ist eine irrwitzige Komposition aus allen nur erdenklichen Geschmacklosigkeiten. Der vierteilige Episodenfilm wartet dabei mit einer Vielzahl an Referenzen auf Genre-Klassiker auf und provoziert mit zahllosen Tabubrüchen und infantilem Humor, der sich vornehmlich jenseits der Gürtellinie abspielt. Ganz im Stile von Roger „The King of B-Movies" Corman und Lloyd Kaufman, wird hier ohne Rücksicht auf Hollywood-Konventionen alles an Skurrilität aufgeboten, was das knappe Budget hergibt. Wer also schon immer einmal sehen wollte, wie ein gigantisches Spermium eine strippende Freiheitsstatur erklimmt, wird um „Chillerama" nicht herumkommen.

Das Autokino von Cecil Kaufman (Richard Riehle) soll seine Pforten schließen, weshalb der leidenschaftliche Cineast für die letzte reguläre Vorstellung etwas ganz besonderes plant: einen Marathon des schlechten Geschmacks, den keiner seiner Gäste jemals vergessen soll. Mit nie zuvor gezeigten Titeln wie „Wadzilla", „I Was A Teenage Werebear" oder „The Diary of Anne Frankenstein" möchte er ein letztes Mal die goldenen Zeiten des B-Movie-Horrors aufleben lassen und damit einen Abgesang auf das klassische Drive-In-Kino feiern, für das es in der heutigen Zeit keinen Platz mehr zu geben scheint. Eigentlich hätte er sich ja denken können, dass die Angelegenheit zwangsläufig in einer blutigen Untoten-Sexorgie enden muss...

Anders als in den meisten Horroranthologien sind die einzelnen Episoden von „Chillerama" nicht einfach zusammenhangslos aneinandergereiht, sondern in die Handlung von Joe Lynchs „Zom-B-Movie" eingebettet, dessen Schauplatz Kaufmans Autokino ist. Der erste Beitrag mit dem Titel „Wadzilla" stammt von Adam Rifkin und parodiert die Monsterfilme der 50er Jahre: Miles Munson (Adam Rifkin) möchte seine Konzentration an Spermien erhöhen und unterzieht sich deshalb einer unerprobten Behandlung – mit fatalen Nebenwirkung: Bald spaziert ein gigantisches Monsterspermium durch New York und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung. Präsentiert wird der Gewaltmarsch im charmanten Vintage-Look, in den sich die Trickeffekte der Chiodo-Brüder („Team America") perfekt einfügen - die schreiend komischen Stop-Motion-Animationen der randalierenden Samenzelle muss man jedenfalls gesehen haben. Darüber hinaus bereichert Rifkin seinen Beitrag um unzählige Anspielungen auf Monster-Klassiker wie „Godzilla" oder „Attack of the 50 Foot Woman", die „Wadzilla" zu einem Fest für Genre-Kenner machen. Als sei das nicht schon genug, endet die Episode mit einem besonderen Höhepunkt – im wahrsten Sinne des Wortes!

Tom Sullivan erreicht mit „I Was A Teenage Werebear" zwar nicht die Gag-Dichte von Rifkins „Wadzilla", sein Mini-Film wartet dafür mit erheblicher, subversiver Sprengkraft auf: Ricky (Brent Corrigan) kann mit dem anderen Geschlecht nichts anfangen und fühlt sich stattdessen zu einer Leder-Gang und deren Anführer Talon (Anton Troy) hingezogen. Was er nicht weiß: Der Zustand sexueller Erregung mündet bei der rebellischen Truppe in ein „Coming-Out" der ganz besonderen Sorte. Die schmucken Schmalzlockenträger verwandeln sich kurzerhand in bierbäuchige Schläger, die ihrem Wunsch nach Emanzipation gewaltsam Nachdruck verleihen. Bereits in „Ginger Snaps" verwob John Fawcett die Werwolf-Thematik mit Motiven unterdrückter Sexualität. Sullivan – der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt – legt hier noch eine ordentliche Schippe drauf. Prompt ereignete sich dann auch ein bezeichnender Zwischenfall beim Dreh: Der lokale Gesetzeshüter war mit dem Inhalt des Skripts nicht einverstanden und wollte dem Filmemacher einen Riegel vorschieben. Über diesen kritischen Subtext hinaus versteht sich „I Was A Teenage Werebear" als augenzwinkernde Hommage an Filme wie „...denn sie wissen nicht, was sie tun", „The Lost Boys" oder „Grease" – inklusive diverser Gesangseinlagen. Und da mit Ausnahme von Anton Troy keiner der Beteiligten auch nur einen geraden Ton heraus bekommt, stimulieren auch diese Szenen eher das Zwerchfell und weniger das Trommelfell.

Ein Schmankerl für deutschsprachige Trash-Liebhaber hält dann Adam Greene bereit. In seiner Schwarz-Weiß-Episode „The Dairy Of Anne Frankenstein" sprechen alle Schauspieler Deutsch, mit Ausnahme des Hauptdarstellers Joel David Moore („Avatar - Aufbruch nach Pandora"). Moore verkörpert Adolf Hitler, der sich auf der Suche nach den geheimen Aufzeichnungen des legendären Dr. Frankenstein befindet. Der Tyrann hat es sich zum obersten Ziel gesetzt, den ultimativen Supersoldaten zu erschaffen. Schließlich spürt er die Nachfahren des legendären Wissenschaftlers auf und macht sich fleißig ans Werk. Es stellt sich jedoch bald als Fehler heraus, dass der tollpatschige Diktator seine Kreatur „Meschugannah" (Kane Hodder) aus den Körperteilen jüdischer KZ-Opfer zusammengesetzt hat, denn seine glorreiche Schöpfung wendet sich schon bald gegen den verdutzten Hitler. „Political Correctness" ist für Greene – der selbst Jude ist – ein Fremdwort. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn „The Dairy Of Anne Frankenstein" ist weniger bedenklich, sondern vor allem irre komisch. Alleine die Hitler-Darbietung von Moore ist großartig und erinnert immer wieder an Charlie Chaplins kauzige Interpretation des machthungrigen Despoten. Moore spricht ein undefinierbares Kauderwelsch, aus dem sich ab und zu Bekenntnisse wie „Ich bin ein scheiß Schauspieler" heraushören lassen. Erwähnenswert ist auch Kristina Klebe („Halloween"), die als nymphomanische Eva Braun nicht nur lüsterne Blicke, sondern auch viele Lacher provoziert.

Mit dem Finale von Joe Lynchs „Zom-B-Movie" geht „Chillerama" dann auf die Zielgerade. Obwohl sein Beitrag qualitativ hinter den anderen zurücksteht, kann er als Rahmenhandlung zwischen den einzelnen Episoden überzeugen: Ein nekrophiler Kino-Mitarbeiter fängt sich bei seinem nächtlichen Besuch auf dem Friedhof einen Virus ein, der ihn in einen sexhungrigen Untoten verwandelt. Zurück an seinem Arbeitsplatz deponiert er dann auch just sein verseuchtes Blut in der Popcornmaschine. Es kommt, wie es kommen muss: Der lauschige Kinoabend endet in einer haltlosen Orgie unter Untoten. Spätestens jetzt steht fest: Für Trash- und Exploitation-Fans ist „Chillerama" der Partyfilm des Jahres. Ihr begrenztes Budget gleichen die Macher mit viel Herzblut und Liebe für Details aus, die zahlreichen aberwitzigen Einfälle bringen die Lachmuskulatur immer wieder an ihre Grenzen – kurz: Das hemmungslose Machwerk ist einfach ein unerhörter Spaß. Es lohnt sich übrigens, das Ende des Abspanns abzuwarten!

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