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    Crulic - Weg ins Jenseits
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Crulic - Weg ins Jenseits
    Von Katharina Granzin

    Der junge Rumäne Claudiu Crulic starb im Januar 2008 an den Folgen eines Hungerstreiks in polnischer Untersuchungshaft. Er wurde 33 Jahre alt. Die Regisseurin Anca Damian verarbeitete den Justizskandal, in dessen Folge der rumänische Außenminister zurücktreten musste, zu einem grandiosen – und schon mehrfach preisgekrönten – Animationsfilm, der unter die Haut geht und sich dabei allen eindeutigen Kategorisierungen entzieht. Natürlich handelt es sich bei „Crulic – Weg ins Jenseits“ um einen Dokumentarfilm, denn es ist das wirkliche Leben und Sterben des Claudiu Crulic, das geschildert wird. Doch das dokumentarische Material, das Damians Film zugrunde liegt, wird in einem poetisch-narrativen Prozess verfremdet und transformiert. So wird das schwer fassbare Schicksal des Claudiu Crulic zu einer dichten und visuell spannenden animierten Bilderzählung verwoben, wobei der Gestus naiv-ironischer Schicksalsbetrachtung und das Gefühl tragischer Unausweichlichkeit sich gegenseitig in der Schwebe halten.

    Claudiu Crulic, der schon lange als rumänischer Gastarbeiter in Krakau lebte, saß monatelang in Untersuchungshaft, weil ihm vorgeworfen wurde, die Brieftasche eines hohen polnischen Richters gestohlen und mit dessen Bankkarte Geld abgehoben zu haben. Obwohl Crulic beteuerte, dass er sich zum Tatzeitpunkt in Italien befunden hatte, und mehrere Personen seine Angaben hätten bestätigen können, wurde kein Versuch unternommen, den Reisezeitpunkt auch nur beim Reisebüro zu überprüfen. Im Untersuchungsgefängnis trat der Inhaftierte gleich am ersten Tag in den Hungerstreik und schrieb zahlreiche Briefe, in denen er seine Unschuld beteuerte, an Stellen, von denen er sich Hilfe erhoffte. Darunter waren die polnische Staatsanwaltschaft und das rumänische Konsulat. Nichts passierte. Nach 90 Tagen Hungerstreik war Crulics Körper so geschwächt, dass der Haftbefehl aufgehoben und der Todkranke in ein externes Krankenhaus überwiesen wurde. Doch es war viel zu spät. Bei seinem Tod wog Claudiu Crulic noch 40 Kilo.

    In Anca Damians Film wird Crulic zumindest posthum die Möglichkeit zuteil, seine Sicht der Dinge darzustellen. Zu Beginn des Filmes als Toter vorgestellt, erzählt Claudiu Crulic (mit der sanft-ironischen Stimme des Schauspielers Vlad Ivanov) im Folgenden seine Lebensgeschichte. In hundert Bildern könne diese erzählt werden, erklärt er, und es sind diese Fotos, die Anca Damian als dramaturgisches Gerüst und Rohmaterial verwendet für eine poetisch-verspielte Animation. Handgezeichnete, an volkstümliche Malerei erinnernde Tableaus bilden den Rahmen für einzelne Handlungssegmente, aus denen sich nach und nach ein Leben zusammensetzt. Animierte Fotoschnipsel bewegen sich über die bunt gezeichneten Lebensbilder. Videosequenzen realer Umgebungen sind so nachbearbeitet, dass sie sich optisch nahtlos in die symbolische Welt der Zeichnungen einfügen.

    Der Effekt, der so entsteht, ist verblüffend. Die freundliche und ausgeglichene Naivität, die der Erzähler von Anfang bis Ende beibehält, findet in der scheinbar naiven Animation ihre perfekte visuelle Entsprechung und atmet eine kindliche Unschuld, die in herzzerreißendem Kontrast steht zu dem grausigen kafkaesken Schicksal, das der Protagonist gleichzeitig erdulden muss. Doch natürlich – derjenige, der da erzählt, ist ja schon tot! Er spricht zu uns aus einer anderen Welt, in der es keine Schmerzen und keine Verzweiflung mehr gibt. Allein deshalb ist er von einem uns Lebenden unerreichbaren Gleichmut, der nicht im Entferntesten spüren lässt, welch furchtbare existenzielle Verzweiflung diesen freundlichen jungen Mann zu seinen Lebzeiten in ihrem Griff gehalten haben muss. Aus dieser Diskrepanz entsteht die enorme emotionale Spannung dieses Films. Anca Damian und ihrem Team ist damit ein kleiner Geniestreich gelungen.

    Fazit: „Crulic – Weg ins Jenseits“ ist ein animierter Dokumentarfilm über die wahre Geschichte eines jungen Mannes, der in die Mühlen der Justiz gerät und darin umkommt. Die rumänische Regisseurin Anca Damian hat diese Geschichte visuell und narrativ packend umgesetzt und zu einem herausragenden Film verarbeitet.  

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